Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 25.04.2005; Aktenzeichen (517) 93 Js 4586/03 KLs (42/04))

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. April 2005 aufgehoben.

Die Vergütung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt W. K., Berlin, wird auf 609,00 EUR festgesetzt.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Rechtsanwalt W. K. war in dem vorliegenden Sicherungsverfahren (§§ 413 ff. StPO) als Pflichtverteidiger für den Beschuldigten tätig. Das Landgericht Berlin ordnete am 28. Oktober 2004 die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) an. Mit Schriftsatz vom 2. November 2004 legte der Verteidiger rechtzeitig Revision gegen das Urteil ein. Durch Schriftsatz vom 20. Dezember 2004 nahm er das Rechtsmittel mit ausdrücklicher Ermächtigung des Beschuldigten zurück. Eine Revisionsbegründung hatte er nicht gefertigt.

Mit seinem Antrag vom 23. Dezember 2004 begehrte Rechtsanwalt K., die Pflichtverteidigervergütung für das Revisionsverfahren nach der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (Vergütungsverzeichnis -VV -) wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren mit Zuschlag nach Nr. 4131, 4130 VV RVG

505,00 EUR

zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG

412,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme netto

937,00 EUR

Umsatzsteuer auf Vergütung nach Nr. 7008 VV RVG

149,92 EUR

zu zahlender Betrag

1.086,92 EUR.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landgerichts (§ 55 Abs. 1 Satz 1 RVG) hat die Vergütung demgegenüber nur auf 609,00 EUR (Verfahrensgebühr in Höhe von 505,00 EUR, Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR sowie anteilige Umsatzsteuer in Höhe von 84,00 EUR) festgesetzt und dies damit begründet, die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG sei nicht entstanden. Mit Beschluss vom 31. März 2005 hat er demgemäß die Festsetzung der zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung (§ 56 Abs. 1 Satz 1 RVG) hat das Landgericht durch Beschluss vom 25. April 2005 (ergänzt durch Beschluss vom 4. Mai 2005) die Entscheidung des Urkundsbeamten aufgehoben und die dem Rechtsanwalt zu zahlende Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Dagegen wendet sich die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht mit ihrer Beschwerde.

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert nach §§ 56Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG übersteigt 200,- EUR. Ohnehin hat das Landgericht die Beschwerde in dem angefochtenenBeschluss gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen. Demgemäß entscheidet der Senat über die Beschwerde (§ 33Abs. 8 Satz 2 RVG). Das Rechtsmittel ist schließlich auch innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG erhoben. Es hatErfolg.

2.

Zu Recht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle desLandgerichts die Festsetzung einer zusätzlichen Gebühr nachNr. 4141 VV RVG abgelehnt. Denn eine solche ist vorliegendnicht entstanden.

a)

Die Gebühr gemäß Nr. 4141 VV RVG betrifft Verfahrensgestaltungen, in denen durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Sie entsteht bei Vorliegen der Voraussetzungen zusätzlich zu der jeweiligen Verfahrensgebühr. Nach Absatz 1 Nr. 3 der Anmerkung zu diesem Gebührentatbestand entsteht sie, wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme (hier:) der Revision erledigt. Nach Absatz 2 der Anmerkung entsteht die Zusatzgebühr jedoch nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht ersichtlich ist.

Sinn der Zusatzgebühr ist es, anwaltliche Tätigkeiten abzugelten, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung führen. Sie übernimmt den Grundgedanken der Regelung des § 84 Abs. 2 BRAGO und erweitert ihn auf Verfahrenserledigungen, die durch Revisionsrücknahmen eintreten. Die Regelung sollte intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führten, gebührenrechtlich honorieren (vgl. BT-Drucks. 12/6962, S. 106; Schmahl in Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl., VV Teil 4 Abschnitt 1 Rdn. 108). Der Gesetzgeber verspricht sich von ihr einen Entlastungseffekt für die Revisionsgerichte (vgl. Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4141 VV Rdn. 37).

b)

Gemessen an diesen Anliegen, die der Gesetzgeber des RVG mit dem Gebührentatbestand der Nr. 4141 VV RVG aufgegriffen hat, hat die Rücknahme der Revision hier nicht dazu geführt, dass die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht entbehrlich wurde. Im Revisionsverfahren findet eine Hauptverhandlung nicht statt, wenn die Revision nicht gemäß § 344 Abs. 1 StPO begründet wurde. In diesem Fall unterliegt das Rechtsmittel der Verwerfung durch das Tatgericht im Beschlusswege (§ 346 Abs. 1 StPO); das Revisionsgericht wird mit ihm nicht befasst. Vorliegend war die Rev...

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