Leitsatz (amtlich)
Eine in Italien erfolgte einvernehmliche Ehescheidung vor dem Standesbeamten unterfällt dem Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO. Die Fortführung eines Eheregistereintrags erfordert deshalb keine vorherige Anerkennung der Scheidung durch die Landesjustizverwaltung. Ausreichend ist eine Bescheinigung nach Art. 39 Brüssel IIa-VO.
Normenkette
FamFG §§ 97, 107; Gesetzesdekret-Italien Nr. 132 Art. 12 Fassung: 2014-09-12; PStG §§ 5, 16, 49; EGV 2201/2003 (Brüssel IIa) Art. 21, 39
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 71a III 15/19) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Standesamt M. von Berlin wird angewiesen, die Fortführung des Eheregistereintrags E 9... /2... nicht von der vorherigen Anerkennung der in Italien erfolgten Scheidung der Ehe der Beteiligten zu 3 und 4 durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung abhängig zu machen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 3 besitzt die deutsche und die italienische Staatsbürgerschaft. Der Beteiligte zu 4 ist Italiener. Sie leben beide in Italien und schlossen am 20. September 2013 vor dem Standesamt M. von Berlin miteinander die Ehe, was zur im Beschlusseingang bezeichneten Registernummer im Eheregister beurkundet wurde.
Am 30. März 2017 erschienen die Beteiligten zu 3 und 4 vor dem Standesamt in P. und erklärten zur Urkundennummer 2... /2..., keine minderjährigen, pflegebedürftigen volljährigen, schwerbehinderte volljährigen oder wirtschaftlich unselbstständige volljährige Kinder zu haben, untereinander keinerlei Vereinbarung zur Übertragung von Vermögen zu treffen und die einvernehmliche Trennung zu wollen. Am 11. Mai 2017 bestätigten sie persönlich vor dem Standesamt P. diese Erklärung, Urkundennummer 2... /2....
Die Beteiligten zu 3 und 4 erschienen erneut am 15. Februar 2018 vor dem Standesamt in P. Dort nahmen sie zur Urkundennummer 1... /2... Bezug auf ihre Erklärungen vom 30. März 2017 und erklärten, bezüglich der Auflösung ihrer Ehe sei kein Verfahren anhängig und sie wünschten die Auflösung der Ehe. Ihre Erklärungen bestätigten sie gegenüber dem Standesamt P. am 26. April 2018, Urkundennummer 3... /2....
Das Standesamt P. - Ufficio di Stato Civile - stellte der Beteiligten zu 3 am 2. Juli 2018 eine Bescheinigung gemäß Art. 39 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (im Folgenden: Brüssel IIa-VO) aus. Darin wird die Scheidung der Ehe der Beteiligten zu 3 und 4 mit Wirkung vom 15. Februar 2018 bestätigt.
Die Beteiligte zu 3 hat die Beteiligte zu 1 gebeten, die Scheidung im deutschen Eheregister zu beurkunden. Die Beteiligte zu 1 hat Zweifel, ob die Beurkundung zunächst eine Anerkennung nach § 107 FamFG voraussetzt und die Sache über die Beteiligte zu 2 dem Amtsgericht Schöneberg vorgelegt. Das Amtsgericht hat die Beteiligte zu 1 mit Beschluss vom 1. Juli 2019 angewiesen, "die am 15.02.2018 erfolgte außergerichtliche Privatscheidung der beiden sonstigen Beteiligten vor dem Standesbeamten der Stadt P./Italien erst nach erfolgter Anerkennung durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung gem. § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG dem Eheregistereintrag des Standesamtes Mitte von Berlin zur Nr. E 9... /2... beizuschreiben". Gegen diesen, ihr am 7. August 2019 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 3 vom 27. August 2019, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 29. August 2019 nicht abgeholfen hat.
Am 17. September 2019 hat die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung den Antrag der Beteiligten zu 3 auf Anerkennung der am 15. Februar 2018 im Standesamt von P./Italien erfolgten Ehescheidung zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beteiligte zu 3 mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 9. Oktober 2019, der bei dem Kammergericht am 10. Oktober 2019 eingegangen ist, Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen lassen. Das Verfahren wird zur Geschäftsnummer 1 VA 31/19 bei dem Senat geführt.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses erhoben worden, §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64, 65 FamFG, 51 Abs. 1 PStG. Die Beteiligte zu 3 ist auch beschwerdeberechtigt, denn sie wird durch die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts in ihren Rechten beeinträchtigt, § 59 Abs. 1 FamFG. Ohne die von dem Amtsgericht für erforderlich erachtete Anerkennung ihrer in Italien erfolgten Ehescheidung durch die Landesjustizverwaltung, § 107 FamFG, kann sie ihr Ziel, die Ehescheidung im Eheregister zu verlautbaren, nicht erreichen.
2. Die Beschwerde ist begründet.
a) Lehnt das Standesamt die Vornahme einer Amtshandlung ab, so kann es auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde durch das Gericht dazu angewiesen werden, § 49 Abs. 1 PStG. Der Ablehnung einer Amtshandlung steht es gleich, wenn das Standesamt in Zweifelsfällen von sich aus die Entscheidung des Gerichts darüber herbeiführt, o...