Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 09.06.2017; Aktenzeichen 28 O 394/16) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
Der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird zurückgewiesen.
Gründe
I. 1. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Absatz 2 Satz 1 Ziffer 1 ZPO).
Der Klägerin steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts, wonach es für einen europarechtlichen Staatshaftungsanspruch insbesondere an einem qualifizierten Verstoß gegen Europäisches Recht fehlt, aber auch der erforderliche unmittelbare Kausalzusammenhang nicht gegeben ist. Zur Begründung kann auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden. Die von der Berufung geltend gemachten Einwände stehen dem nicht entgegen.
a) Zutreffend hat das Landgericht den für einen europarechtlichen Staatshaftungsanspruch erforderlichen qualifizierten Verstoß gegen Europäisches Recht verneint.
aa) Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union [Urteile vom 08. September 2010 - C-46/08 -, juris (Carmen Media); - C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 -, juris (Stoß); - C-409/06 -, juris (Winner Wetten)] das in Bayern bis 2008 gemäß § 5 LottoStV (Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 20. Juni 2004) geltende Sportwettenmonopol, aufgrund dessen ausschließlich Lotterieunternehmen der Länder Sportwetten vertreiben durften, objektiv mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar war. Die Regelungen, die gemäß § 1 LottoStV der Eindämmung der Spielsucht dienen sollten, verstießen gegen das in den Urteilen des Gerichtshofs statuierte Kohärenzgebot, da eine Reihe von Glückspielen (insbesondere Automatenspiele), die nicht unter das staatliche Monopol fielen, ein höheres Suchtpotential aufwiesen als jene, für die das Monopol galt (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 -, Rn. 14, juris).
bb) Dies allein begründet jedoch noch keinen für einen europarechtlichen Staatshaftungsanspruch erforderlichen qualifizierten Verstoß gegen Europäisches Recht. Dass die sich im Zusammenhang mit dem Verstoß stellenden Rechtsfragen ggf. zwischenzeitlich geklärt sein mögen, spielt keine Rolle, weil es für die Feststellung eines qualifizierten Verstoßes auf die ex-ante-Sicht zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - III ZR 215/11 -, Rn. 12, juris) ankommt.
(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt bei gesetzgeberischem Handeln ein hinreichend qualifizierter Verstoß nur dann vor, wenn ein Mitgliedsstaat bei der Ausübung seiner Rechtsetzungsbefugnis deren Grenzen offenkundig und erheblich überschritten hat. Hierbei sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen. Zu diesen Gesichtspunkten gehören u.a. das Maß an Klarheit und Präzision der verletzten Vorschrift, die Vorsätzlichkeit des Verstoßes und die Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums. Nur wenn der Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügte, kann schon die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen (BGH, a.a.O.).
Die Beklagte hat die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes nicht offenkundig und erheblich überschritten. Dies entspricht der einhelligen obergerichtlichen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 31. August 2016 - I-18 U 217/07 -, juris Rn. 25; OLG Köln, Urteil vom 03. Mai 2012 - I-7 U 194/11 -, Rn. 16, juris; OLG München, Urteil vom 15. Juli 2011 - 1 U 392/11 -, Rn. 56, juris) und höchstrichterlichen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 197/11 -, juris; Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 -, Rn. 28, juris; Beschluss vom 28. Februar 2013 - III ZR 87/12 -, juris; Urteil vom 16. April 2015 - III ZR 333/13 -, juris; Urteil vom 16. April 2015 - III ZR 204/13 -, juris) Rechtsprechung, der auch der Senat gefolgt ist (Urteil vom 19. November 2013 - 9 U 114/12 -, Rn. 28, juris). Es besteht kein Grund, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
Die seinerzeit geltende Regelung mag die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG (nunmehr Art. 56 AEUV) verletzt haben. Die Beklagte hat dadurch nach den dargestellten Grundsätzen die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes jedoch nicht offenkundig und erheblich überschritten. Ein erheblich verringerter oder gar auf Null reduzierter Gestaltungsspielraum war hier nicht gegeben. In Ermangelung einer abschließenden gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung auf dem Gebiet des Glücksspielrechts verblieb der Beklagten ein erheblicher Gestaltungsspielraum (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 -, Rn. 21, juris).
(2) Für die auch vorliegend im Jahre 2006 maßgebliche Rechtslage in Bayern hat das OLG München in seiner En...