Entscheidungsstichwort (Thema)
Grobe Unbilligkeit eines Versorgungsausgleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Durch den Tod des ausgleichsberechtigten Ehegatten wird die Durchführung des gem. § 2 Abs. 2 S. 2 VAÜG ausgesetzten Versorgungsausgleichs nach § 1587e Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen.
2. Beruht die gesamte, während der Ehe erworbene Anwartschaft des an sich ausgleichspflichtigen Ehegatten auf einer überobligationsmäßigen Erwerbstätigkeit, kann der Versorgungsausgleich zu seinen Lasten wegen grober Unbilligkeit nach § 1587c Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 11.02.2003; Aktenzeichen 161 F 131/94) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 11.2.2003 geändert:
Der Versorgungsausgleich wird ausgeschlossen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach einem Wert von 500 Euro gegeneinander aufgehoben.
Gründe
Die Ehe der Parteien wurde mit rechtskräftigem Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 12.5.1995 geschieden, die Folgesache Versorgungsausgleich gem. § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG ausgesetzt. Sodann verstarb der Antragsteller. Seit dem 7.7.2002 werden seiner Witwe und den drei Waisen eine Rente seitens der Landesversicherungsanstalt gezahlt. Nachdem die Beteiligten zu 1) und 2) einen Antrag auf Wiederaufnahme des ausgesetzten Verfahrens gestellt hatten, hat das AG mit Beschluss vom 11.2.2003 den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es, bezogen auf den 30.11.1992, vom Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf das Versicherungskonto des Ehemannes bei der Landesversicherungsanstalt Berlin Rentenanwartschaften von monatlich 17,34 Euro übertragen hat.
Gegen diesen am 27.3.2003 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem am 23.4.2003 beim KG eingegangenen Rechtsmittel, mit welchem sie die Feststellung begehrt, dass der Ausgleichsanspruch durch den Tod des Antragstellers erloschen ist, hilfsweise, dass er wegen grober Unbilligkeit nach § 1587c Nr. 1 BGB ausgeschlossen wird.
Die Beschwerde ist zulässig, insb. auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 612e ZPO). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Zwar ist der Ausgleichsanspruch durch den Tod des Antragstellers nach § 1587e Abs. 2 BGB nicht erloschen. Denn aus dem Hinweis auf die Antragsberechtigung der Hinterbliebenen ergibt sich, dass dies bei einem nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG ausgesetzten Versorgungsausgleichsverfahren der Ausgleichsanspruch mit dem Tod des Berechtigten nicht der Fall ist. Der Grund hierfür ist, dass sich die vom Gesetz geforderte Aussetzung des Verfahrens nicht zum Nachteil der ausgleichsberechtigten Hinterbliebenen auswirken soll (Sander in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 2 VAÜG, Rz. 14; Maier, Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung, § 2 VAÜG, Anm. 3). Der gegenteiligen, von der Antragsgegnerin zitierten Ansicht (Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Aufl., § 1587e Rz. 7) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn die ausdrückliche Einräumung einer eigenen Antragsberechtigung der Hinterbliebenen auf Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichs würde bei einem Erlöschen des Ausgleichsanspruchs im Falle des Todes des Berechtigten weitestgehend leerlaufen.
Die von der Antragsgegnerin insoweit gerügte Ungleichbehandlung zwischen den alten Bundesländern und dem Beitrittsgebiet ist sachlich begründet und verstößt daher nicht gegen Art. 3 GG. Denn die Aussetzung, die in einer Vielzahl von Fällen über Jahre Bestand hat, steht nicht im Belieben der Parteien oder des Gerichts, sondern ist vielmehr zwingende Folge des § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu der Zwischenentscheidung nach § 628 ZPO, die lediglich zur Abtrennung des Versorgungsausgleichs vom Scheidungsverbund führt, das Gericht in seiner Befugnis über die Entscheidung über den Versorgungsausgleich aber nicht einschränkt. Die Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichs nach § 2 VAÜG und der endgültige Abschluss des Verfahrens erfolgen damit regelmäßig zu einem Zeitpunkt, der bei Beendigung des Scheidungsverbunds nicht absehbar ist und von den Parteien nicht beeinflusst werden kann. Im Hinblick auf diesen gravierenden Unterschied und den Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 S. 2 VAÜG, der sich durch die Anwendung von § 1587e Abs. 2 BGB in das Gegenteil verkehren würde, war der Gesetzgeber durch Art. 3 GG auch nicht gehindert, die Folgen des Versterbens des Berechtigten abweichend vom Normalfall zu regeln.
Die Antragsgegnerin kann jedoch gem. § 1587c Nr. 1 BGB verlangen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Nach dieser Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich nur dann nicht statt, wenn und soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse grob unbillig wäre. Die Frage, ob die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig ist, ist zwar nach einem strengen Wertungsmaßstab zu beurteilen. Ein Ausschluss kommt danach grundsät...