Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 09.05.2017; Aktenzeichen (262) 285 Js 497/17 Cs (56/17)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 9. Mai 2017 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 9. Mai 2017 wegen versuchten Diebstahls in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Einzelfreiheitsstrafen hat das Amtsgericht mit jeweils vier Monaten festgesetzt. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Angeklagten ist am 15. Mai 2017 beim Amtsgericht Tiergarten eingegangen und ist mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12. Juni 2017 als Revision bezeichnet worden. Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene (Sprung-)Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang vorläufigen Erfolg.
Die Strafzumessung des Amtsgerichts hält einer sachlich-rechtlichen Nachprüfung gemäß § 337 Abs. 1 StPO nicht stand.
1. Der der Strafzumessung vom Amtsgericht zugrunde gelegte gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen ist nicht zu beanstanden. Die Annahme der jeweils gewerbsmäßigen Begehungsweise gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB wird durch die Feststellungen und die vollständige und schlüssige Beweiswürdigung getragen.
2. Die verhängten Einzelfreiheitsstrafen - und damit einhergehend der Gesamtstrafenausspruch - halten jedoch einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu Folgendes ausgeführt:
1. "Grundsätzlich ist die Strafzumessung Sache des Tatrichters und eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht ausgeschlossen. Die Nachprüfung hat sich allerdings darauf zu erstrecken, ob der Tatrichter bei der Zumessung der Strafe von unrichtigen oder unvollständigen Erwägungen ausgegangen ist oder sonst von seinem Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hat. In dem tatrichterlichen Urteil müssen daher nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO die für die Bemessung der Strafe wesentlichen Umstände so vollständig wiedergegeben sein, dass es möglich ist, das dabei ausgeübte Ermessen auf Rechtsfehler zu überprüfen (vgl. BGHSt 34, 345; KG, Beschluss vom 4. November 2008 - [4] 1 Ss 375/08 [249/08] - [juris]).
Die dargelegten Grundsätze zur Kontrolldichte gelten auch bei der Frage, ob die Voraussetzungen für die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe nach§ 47 Abs. 1 StGB (hier i.V.m. Abs. 2) gegeben sind (vgl. KG, Beschluss vom 22. Mai 2017 - [5] 161 Ss 44/17 [287/17] - m.w.N.). Das Revisionsgericht hat auf die Sachrüge zu prüfen, ob der Tatrichter maßgebliche Begriffe des materiellen Rechts - insbesondere die Begriffe der Unerlässlichkeit und der besonderen Umstände - verkannt hat, von unvollständigen, widersprüchlichen oder unrichtigen Erwägungen ausgegangen ist oder die Grenzen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums sonst wie überschritten hat (vgl. KG a.a.O. m.w.N.) Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Gericht einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt hat (vgl. BGH StraFo 2010, 500 - [juris]) und sich des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes bewusst gewesen ist (vgl. KG StV 2007, 35 [juris]).
Nach § 47 Abs. 1 StGB darf dabei eine (Einzel-)Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur verhängt werden, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Unerlässlichkeit bedeutet mehr als Gebotenheit (vgl. KG, Beschluss vom 22. Mai 2017 - [5] 161 Ss 44/17 [28/17] - m.w.N.). Nach den § 47 StGB zugrunde liegenden kriminalpolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers soll die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen und als letztes Mittel in Betracht kommen. Dem gesetzgeberischen Gebot ist dadurch Rechnung zu tragen, dass von dieser Ahndungsmöglichkeit äußerst zurückhaltend Gebrauch gemacht wird (vgl. KG Berlin a.a.O, Beschluss vom 30. Januar 2001 -[4] 1 Ss 13/01 [12/01] - [juris]). Die Freiheitsstrafe darf nur dann ausgesprochen werden, wenn nicht auf sie verzichtet werden kann, weil der Angeklagte durch eine Geldstrafe nicht nachhaltig zu beeindrucken ist oder weil die zu wahrende Rechtsordnung dies fordert. Das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB darf dabei auch nicht schematisch aus selbst einschlägigen Vorstrafen geschlossen werden, sondern ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalles festzustellen, wobei die Anzahl, das ...