Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ist ein selbständiger Teil des Urteilsspruchs und kann isoliert angefochten werden, wenn sich die ihr zugrunde liegenden Erwägungen von denen der Strafzumessung trennen lassen. An der Trennbarkeit fehlt es nicht schon dann, wenn sich die bei der Strafzumessung und der Aussetzungsentscheidung jeweils berücksichtigten Tatsachen überschneiden.
2. Die Beschränkung der Berufung auf die Aussetzungsentscheidung ist unwirksam, wenn die Tatsachenfeststellungen und Erwägungen zum Strafmaß so unzulänglich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Aussetzungsentscheidung bilden, wenn die Entscheidung über die Strafaussetzung an einem Fehler leidet, der zugleich die Strafzumessung betrifft, der Anfechtende sich gegen die Feststellung oder Nichtfeststellung einer doppelrelevanten Tatsache wendet oder eine unzulässige Verknüpfung von Strafmaß- und Aussetzungsentscheidung besteht. Gleiches gilt, wenn die Entscheidungsteile – etwa im Sinne einer „Wechselwirkung“ – eng miteinander verzahnt sind und deshalb die Gefahr besteht, dass die (stufenweise) entstehende Gesamtentscheidung nicht frei von inneren Widersprüchen bliebe.
3. Bei einer kurzen Freiheitsstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB verlangt eine wirksame Berufungsbeschränkung auf die Bewährungsfrage, dass die Sanktionsentscheidung nach § 47 Abs. 1 StGB auf der Grundlage ausreichender Feststellungen aller tat- und täterbezogenen Umstände getroffen ist und den besonderen Begründungsanforderungen genügt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 24.06.2020; Aktenzeichen (576) 283 Js 4817/19 Ns (38/20)) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. Juni 2020 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagte wegen Diebstahls mit Waffen und Diebstahls in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die es aus Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten, zweimal vier Monaten und sechsmal drei Monaten sowie aus zwei Geldstrafen von 50 Tagessätzen zu je 5,00 Euro gebildet hat. Die Vollstreckung der Strafe hat das Amtsgericht Tiergarten zur Bewährung ausgesetzt. Der Verurteilung lagen in allen Fällen Ladendiebstähle zugrunde, die die langjährig heroinabhängige Angeklagte begangen hatte, um sich durch den Weiterverkauf der Beute ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Auf die gegen das vorbenannte Urteil gerichtete, mit der Berufungsbegründung auf den Rechtsfolgenausspruch und innerhalb dessen weitergehend auf die Frage der Strafaussetzung beschränkten Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Berlin das amtsgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass es die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Mit ihrer gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt die Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg.
1. Das Landgericht hat - was das Revisionsgericht im Falle einer zulässigen Revision von Amts wegen zu prüfen hat (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 4. Mai 2017 - [5] 121 Ss 42/17 [32/17] - juris Rn. 4, m.w.N.) - zu Recht eine wirksame Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch angenommen.
a) Grundsätzlich gebietet es die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 Satz 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Bilden die tatrichterlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils zum objektiven Tatgeschehen und zur inneren Tatseite eine (noch) hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung, so ist die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch daher wirksam (KG, Urteil vom 16. September 2016 - [4] 161 Ss 126/16 [150/16] -; Senat, Urteil vom 11. August 2020 - [5] 121 Ss 96/20 [34/20] -; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 318 Rn. 16 m.w.N.). Das ist hier der Fall.
b) Aus der Gesamtschau der im amtsgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen ergeben sich die Verwirklichung der den Schuldspruch tragenden Tatbestandsmerkmale und das wesentliche Tatgepräge in ausreichendem Maße, um darauf die Strafzumessung stützen zu können. Dies gilt im Ergebnis auch für die innere Tatseite hinsichtlich des Diebstahls mit Waffen. Zwar hat das Amtsgericht bei der Schilderung des Tatgeschehens keine Angaben dazu gemacht, ob die Angeklagte das Taschenmesser und die Zange bewusst gebrauchsbereit mit sich geführt hat (vgl. zu dieser Voraussetzung BGH, Beschluss vom 4. September 1996 - 5 StR 391/95 - juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Juni 2003 - 1 Ss 41/03 - juris Rn. 37 f.; Senat, Beschluss vom ...