Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen (522 K) 234 Js 154/17 (3/19)) |
Tenor
Dem Nebenklagevertreter, Rechtsanwalt XXX, wird auf seinen Antrag vom 14. Juli 2020 gemäß § 51 RVG eine Pauschgebühr in Höhe von insgesamt 18.552,00 Euro bewilligt. Im Übrigen wird sein Antrag zurückgewiesen.
Die Umsatzsteuer wird von dem Urkundsbeamten gesondert festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller hat im Verfahren gegen den wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung Verurteilten XXX, den Bruder der Getöteten als Nebenkläger vertreten.
Der Antragsteller hat sich mit Schriftsatz vom 26. März 2019 für den zur Nebenklage berechtigten Bruder der Getöteten gemeldet und wurde diesem mit Beschluss der Schwurgerichtskammer vom 31. Mai 2019 unter Zulassung der Nebenklage als Beistand bestellt. Die Anklage vom 30. April 2019 wurde durch Beschluss der Schwurgerichtskammer vom 24. Juni 2019, unter der Eröffnung des Hauptverfahrens, zur Hauptverhandlung zugelassen. In der acht Monate andauernden Hauptverhandlung wurden 83 Zeugen gehört und drei Gutachten erstattet. Das Verfahren umfasst 20 Bände Strafakten, 11 Beistücke, einen Karton CDs, 61 Sonderbände, einen Protokollband, einen Ladungsband, drei Antragsbände und zwei Kostenbände. Das Landgericht hat den Angeklagten nach 46 Verhandlungstagen, von denen der Antragsteller als Nebenklagevertreter an 37 Verhandlungstagen mit einer durchschnittlichen Verhandlungsdauer von etwa zweieinhalb Stunden teilgenommen hat, am 17. März 2020 wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit der Verwerfung der Revision des Angeklagten durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 2020 ist das Urteil rechtskräftig geworden.
Mit seinem Antrag vom 14. Juli 2020 begehrt der Antragsteller die Festsetzung einer Pauschgebühr gemäß § 51 RVG für seine Tätigkeit im Verfahren in Höhe von 25.546,00 Euro. Das Begehren hat nur im tenorierten Umfang Erfolg.
1. Dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt ist nach § 51 RVG für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind.
In Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor des Kammergerichts erachtet der Senat die von Rechtsanwalt XXX in der Phase der Einarbeitung in das Verfahren erbrachte Beistandsleistung als besonders umfangreich und auch in der Gesamtschau mit den Pflichtverteidigergebühren nicht mehr zumutbar vergütet i.S.d. § 51 RVG.
a) Besonders umfangreich ist ein Strafverfahren, wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" vergleichbaren Sache zu erbringen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2011 - 1 ARs 8/11 -, Saarländisches OLG RVGreport 2011, 58). Als Vergleichsmaßstab dienen dabei gleichartige Verfahren, hier also solche, die vor einer Schwurgerichtskammer bei dem Landgericht verhandelt werden. Der besondere Umfang bemisst sich aufgrund der objektiven Gesamtumstände nach dem zeitlichen Aufwand der jeweiligen Tätigkeit des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts. Dabei sind die Dauer und die Anzahl der einzelnen Verhandlungstage, die Terminsfolge, die Gesamtdauer der Hauptverhandlung, der Umfang und die Komplexität des Verfahrensstoffs sowie das Ausmaß der von dem Rechtsanwalt wahrgenommenen weiteren Tätigkeiten, wie etwa die Durchführung von Mandantenbesprechungen, die Teilnahme an Haftprüfungen, polizeilichen Vernehmungen und Anhörungen von Sachverständigen, das Führen einer umfangreichen Korrespondenz sowie die Wahrnehmung von sonstigen Gesprächsterminen von Bedeutung (vgl. Senat a.a.O., m.w.N.). Allerdings kann eine Vielzahl von jeweils einzeln vergüteten Hauptverhandlungsterminen das gesteigerte Ausmaß eines anderen für die Bemessung einer Pauschvergütung relevanten Merkmals kompensieren (vgl. BVerfG NJW 2005, 1264; Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - 1 ARs 18/07 -; OLG Köln StraFo 2006, 130; OLG Frankfurt NJW 2006, 457).
b) Eine "besondere Schwierigkeit" der Sache ist dann gegeben, wenn das Verfahren aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen über das Normalmaß hinaus in besonderem Ausmaß verwickelt ist (Stollenwerk in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage, § 51 Rdn.21, beck-online).
c) Unzumutbar ist die sonst maßgebliche Gebühr, wenn sie augenfällig unzureichend und unbillig ist. Diese Situation tritt keineswegs schon bei jeder Strafsache ein, deren Umfang oder Schwierigkeit das Normale übersteigt (Senat, Beschluss vom 2. Juni 2016 - 1 ARs 23/15 -). Dabei ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG von dem zusätzlichen Merkmal der Unzumutbarkeit, welches den Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 RVG zugleich einschränken und den Ausnahmecha...