Tenor
Für die Tätigkeit des bestellten Verteidigers Rechtsanwalt BB, Ort1, wird nach Anhörung der Beauftragten für den Haushalt anstelle der in Teil 4 Abschnitt 1. Unterabschnitt 2. des Vergütungsverzeichnisses bestimmten gesetzlichen Gebühren Nrn. 4104, 4105 eine Pauschgebühr von
354,- Euro
festgesetzt.
Der Anspruch auf die Erstattung von Auslagen und Mehrwertsteuer bleibt unberührt. Bereits geleistete Zahlungen sind nach Maßgabe von § 58 Abs. 3 RVG anzurechnen.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
Dem Antrag des dem Angeklagten beigeordneten Verteidigers Rechtsanwalt BB ihm anstelle der gesetzlichen Gebühren eine Pauschgebühr in Höhe von 2.682,- EUR zu bewilligen, konnte nur zum Teil entsprochen werden.
Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar ist. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar und kommt lediglich in Betracht, wenn die anwaltliche Mühewaltung sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abhebt (vgl. BGH, Beschluss vom 01.06.2015 - 4 StR 267/11, NJW 2015, 2437) und die Gewährung eines Pauschbetrags zum Ausgleich eines unzumutbaren Missverhältnisses angezeigt erscheint (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.03.2010 - 1 AR 11/10, juris Rn. 3). Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zu Grunde zu legen. Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Umfangs eine zeitaufwändigere, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Verteidigers erforderlich geworden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15.01.2020 - 1 StR 492/15, NStZ-RR 2020, 160). Dabei ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt, nicht hingegen solcher, der seinen Grund in nur verteidigerbezogenen persönlichen Umständen hat (vgl. BGH a.a.O.).
Nach diesen Maßstäben steht dem Antragsteller die Pauschgebühr im tenorierten Umfang zu.
Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers für seine nach Teil 4 Abschnitt 1. Unterabschnitte 1. und 2. des Vergütungsverzeichnisses erfassten Tätigkeiten bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens bei einem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten betragen insgesamt 399,- Euro, die sich aus der Grundgebühr (Nr. 4100, 4101 VV RVG) in Höhe von 216,- Euro und der Verfahrensgebühr (Nr. 4104, 4105 VV RVG) in Höhe von 177,- Euro zusammensetzen. Darüber hinaus ist nach Unterabschnitt 5 eine bislang nicht geltend gemachte, als Wertgebühr der Festsetzung einer Pauschgebühr nicht zugängliche (§ 51 Abs. 1 Satz 2 RVG) Gebühr für das Einziehungsverfahren (Nr. 4142 VV RVG) in Höhe von 447,- Euro entstanden (vgl. Senat, Beschluss vom 09.11.2021 - 1 ARs (KostR) 6/21 [n.v.]).
Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Antragstellers in dem Antrag vom 19. Dezember 2022 bzw. 27. Januar 2023, den ihm zur Kenntnis gebrachten Erwägungen der Beauftragten für den Haushalt in ihrer Stellungnahme vom 8. Februar 2023 sowie seiner Erwiderung hierauf im Schriftsatz vom 20. Februar 2022 rechtfertigt die Strafsache eine Vergütung, die die bezeichneten gesetzlichen Gebühren übersteigt.
Das Schwergewicht der Arbeit des Pflichtverteidigers lag vorliegend in der erstmaligen Einarbeitung in die Ermittlungsakten, die mit etwa 6.600 Seiten deutlich über dem üblichen Umfang derartiger Verfahren liegen. Insoweit stellt das Studium umfangreicher Akten im Ermittlungsverfahren ein wesentliches Indiz für das weit überdurchschnittliche Ausmaß dar (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 201). Auch wenn die reine Blattzahl nicht alleine ausschlaggebend für die Bemessung des tatsächlich erbrachten und mithin zu vergütenden Tätigkeitsumfanges ist, so ist gleichwohl in den Blick zu nehmen, dass dem Verfahren insoweit eine Vielzahl von Betrugsfällen zugrunde lag, was zugleich mit einem nicht unerheblichen Besprechungsbedarf mit dem Beschuldigten einherging.
Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, anstelle der vorbezeichneten gesetzlichen Verfahrensgebühr nach Nrn. 4104, 4105 VV RVG das Doppelte derselben, mithin 354,- Euro anzusetzen (vgl. zur Verdopplung in vergleichbaren Fällen etwa Senat, Beschluss vom 24. Juni 2020 - 1 ARs (KostR) 5/20 [n.v.]).
Die Gewährung einer höheren Pauschvergütung und - wie ebenfalls beantragt - eine gleichzeitige Erhöhung auch der gesetzlichen Gebühr des Antragstellers für seine nach Nrn. 4100, 4101 VV RVG erfasste Tätigkeit kamen hingegen nicht in Betracht. Denn im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung (vgl. KG, Beschluss vom 02.10.2015 - 1 ARs 26/13, juris Rn. 9) erschien es angemessen und ausreichend, den Zeitaufwand insbesondere bezüglich der Einarbeitung in die Ermittlungsakten lediglich mit der Erhöhung der Verfahrensgebühr abzugelten (vgl. Senat a.a.O.).
Daran vermag auch der durch die Besuche des Mandanten in den beiden Justizvollzugsanstalten ...