Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert für Rechtsanwaltsgebühren bei. Räumungsvollstreckung
Leitsatz (amtlich)
Der Gegenstandswert für die Tätigkeit des Rechtsanwalts bei einer Räumungsvollstreckung in bezug auf Miet- oder ähnliche Nutzungsobjekte bestimmt sich auch nach der Neufassung des § 57 Abs. 2 Satz 1 BRAGO durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 nach dem einjährigen Zins.
Normenkette
BRAGO § 57 Abs. 2 S. 1 n. F; GKG § 16 Abs. 2; ZPO § 885
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 13.07.1995; Aktenzeichen 22 O 437/94) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin nach einem Wert bis 600,00 DM zu tragen.
Gründe
Die Klägerin – eine Vermieterin – hat gegen den Beklagten als Gewerberaummieter im Prozeß vor dem Landgericht einen Räumungstitel erwirkt. Den Streitwert für die Räumung hat das Prozeßgericht gemäß § 16 GKG unter Zugrundelegung des jährlichen Mietzinses auf 49.892,16 DM festgesetzt. Die Klägerin hat die Festsetzung der ihrem Anwalt in der Räumungsvollstreckung entstandenen Kosten unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 100.000,– DM begehrt; diesen Wert sieht sie als den Verkehrswert des Mietobjektes an. Der Rechtspfleger hat die Anwaltskosten für die Räumungsvollstreckung nur unter Zugrundelegung eines Wertes von 49.892,16 DM festgesetzt und die Festsetzung nach dem Wert von 100.000,00 DM abgelehnt. Gegen diese Absetzung hat die Klägerin Erinnerung eingelegt, der der Rechtspfleger und die Zivilkammer des Landgerichts nicht abgeholfen haben und die dem Kammergericht als sofortige Beschwerde vorgelegt worden ist.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Mit Recht hat die Vorinstanz die dem Anwalt der Klägerin in der Räumungsvollstreckung entstandenen Kosten nur unter Zugrundelegung eines nach dem jährlichen Mietzins bemessenen Gegenstandswertes berechnet und festgesetzt. Allerdings ist durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 (BGBl. I S. 1325) die Vorschrift des § 57 Abs. 2 BRAGO mit Wirkung vom 1. Juli 1994 neu gefaßt worden; nach Satz 1 dieser Regelung bestimmt sich in der Zwangsvollstreckung, der Gegenstandswert nach dem Wert der herauszugebenden Sachen. In der Begründung zu dieser Gesetzesänderung (BT-Drs. 12/6962 S. 105) heißt es, daß die Vorschrift eine abschließende Regelung über den Gegenstandswert in der Zwangsvollstreckung mit einigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen darstellt; eine Regelung in der BRAGO sei notwendig, weil für gerichtliche Verfahren in der Zwangsvollstreckung in den Nummern 1640 bis 1645 und 1905 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz Festgebühren vorgesehen seien und daher eine Anwendung des § 8 Abs. 1 BRAGO ausscheide. Wenn man allein auf den Wortlaut der Gesetzesänderung und auf das in der amtlichen Begründung hervorgehobene formale Regelungsprinzip abstellen würde, könnte die Auffassung gerechtfertigt sein, der Gegenstandswert für eine Räumungsvollstreckung in bezug auf Mietraum bestimme sich nach dem wie auch immer zu bestimmenden Wert des Mietobjektes, ohne daß eine Heranziehung des § 16 Abs. 2 GKG zulässig wäre (so LG München JurBüro 1995, 482 bestätigt durch OLG München ZAP 1995, 394 LS; AG Sinzig JurBüro 1995, 482; Lappe ZAP 1994, 743/748; Donnerbauer WuM 1994, 597; Schneider Rpfleger 1995, 318/320; a. M.:
AG Koblenz JurBüro 1995, 483; Mümmler JurBüro 1995, 453; zweifelnd Hansens BRAGO, 8. Aufl., § 57 Rdn. 16). Indessen kann nicht außer acht gelassen werden, daß es vor der Neufassung des § 57 Abs. 2 BRAGO fast allgemeiner Meinung entsprach, daß § 8 Abs. 1 Satz 1 BRAGO a. F., der bestimmte, daß „in gerichtlichen Verfahren” sich der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften richtete, auch für die Tätigkeit des Anwalts gegenüber Gerichtsvollziehern galt (vgl. dazu Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 12. Aufl., § 8 Rdn. 2; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 7 Aufl.; § 8 Rdn. 5; Hansens, aaO, § 8 Rdn. 2; Donnerbauer, aaO; a. M.: Lappe, aaO). In diesem Zusammenhang wurde also für die Tätigkeit des Anwalts bei der Zwangsvollstreckung in bezug auf ein Miet- oder ähnliches Nutzungsverhältnis die Regelung des § 16 Abs. 2 GKG für anwendbar gehalten. Dies entsprach auch der gesetzgeberischen Absicht bei der Schaffung des § 16 Abs. 2 GKG. Es sollte bei einem Begehren auf Räumung von Miet- oder ähnlichen Nutzungsobjekten für die Gebührenberechnung nicht auf § 6 ZPO zurückgegriffen werden, wonach der Wert der Sache maßgeblich gewesen wäre, sondern auf die Vorschrift des § 16 GKG, wonach aus sozialen Gründen Mietstreitigkeiten und auch Streitigkeiten in bezug auf die Räumung von Miet- oder ähnlichen Nutzungsobjekten verbilligt werden sollten, indem der einjährige Zins der Wertberechnung zugrunde zu legen war (vgl. dazu OLG Frankfurt a. M. AnwBl. 1984, 203; Hartmann, Kostengesetze, 26. Aufl., § 16 GKG Rdn. 2; Mümmler, aaO; vgl. auch Zöller/Herget, ZPO, 19. Aufl., § 3 Rdn. 16 Stichwort „Wohnrecht”). Diesem sozialen Sc...