Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust der dem Gläubiger erteilte vollstreckbare Ausfertigung auf dem Postweg
Normenkette
GKG § 21; KV GKG Nr. 2110
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 27.04.2007; Aktenzeichen 34 O 63/06) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert. Die Erinnerung der Klägerin vom 15.3.2007 gegen den Kostenansatz des LG Berlin vom 30.10.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die - vom LG zugelassene - Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs. 2 S. 2, Abs. 5 S. 1 und 5 GKG) und begründet. Der Kostenbeamte des LG hat der Klägerin für das Verfahren über die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nach § 733 ZPO zu Recht eine Gebühr von 15 EUR in Rechnung gestellt, Nr. 2110 KV GKG i.V.m. § 22 Abs. 1 S. 1 GKG.
Zutreffend hat das LG angenommen, dass es sich bei der am 24.10.2006 beantragten und am 14.12.2006 erteilten zweiten vollstreckbaren Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 25.8.2006 um eine weitere vollstreckbare Ausfertigung i.S.v.
§ 733 ZPO handelt. Der Klägerin ist bereits zuvor - am 29.8.2006 - eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt worden. Durch die - mittels Vermerk nach § 734 S. 1 ZPO dokumentierte - Beifügung der Vollstreckungsklausel (§ 725 ZPO) auf der Beschlussausfertigung ist die vollstreckbare Ausfertigung als solche erteilt; auf den Zugang beim Gläubiger kommt es nicht an (vgl. OLG Schleswig, SchlHA 1981, 81; KG, Beschl. v. 20.7.2007 - 14 W 18/07).
Entgegen der Ansicht des LG liegen die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 S. 1 GKG nicht vor. Das LG ist im angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, die erste vollstreckbare Ausfertigung sei auf dem Postweg verloren gegangen. Das rechtfertigt - anders als bei einem Verlust im Verantwortungsbereich des Gerichts (vgl. dazu Senat, AGS 2007, 639) - eine Nichterhebung der Kosten nicht. Eine unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG liegt nur bei einem (offensichtlichen) Fehler von Angehörigen der staatlichen Rechtspflege vor (Senat, a.a.O., m.w.N.); das Verhalten der mit der Beförderung beauftragten Post ist dem Gericht nicht zuzurechnen. Zum einen gründet der Anspruch des Gläubigers auf Aushändigung der Ausfertigung nicht auf einem Vertrag, auf den § 278 BGB Anwendung fände. Zum anderen hat der Gläubiger die Möglichkeit, sich die Ausfertigung an Gerichtsstelle aushändigen zu lassen (§ 173 ZPO). Beantragt er stattdessen - wie es die Klägerin konkludent getan hat - die Übersendung der Ausfertigung, trägt er - in Form der Gebühr für die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung - das Übermittlungsrisiko (KG, Beschluss v. 20.7.2007, a.a.O.).
Die Erwägungen im Nichtabhilfebeschluss des LG vom 6.8.2007 begründen die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 S. 1 GKG ebenfalls nicht. Ist die Absendung der Ausfertigung - wie hier mit Abvermerk vom 29.8.2006 - in den Gerichtsakten dokumentiert, bestehen keine konkreten Anhaltspunkte, dass diese im Verantwortungsbereich des Gerichts abhanden gekommen ist. Die bloße Möglichkeit, dass der Verlust auf einer sorgfaltswidrigen Handlung eines Justizbediensteten beim Transport zur Postausgangsstelle o. Ä. beruht, genügt nicht. Für eine Nichterhebung der Kosten muss die unrichtige Sachbehandlung feststehen. Das Gericht ist auch nicht gehalten, jeden einzelnen Arbeitsschritt (Entgegennahme durch den Wachtmeister, Übergabe an das Postunternehmen etc.) zu dokumentieren, um ein Versehen durch Angehörige der staatlichen Rechtspflege auszuschließen. Nach dem Sinn und Zweck des § 21 Abs. 1 S. 1 GKG ist eine unrichtige Sachbehandlung auch aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit auf offensichtliche Fehler beschränkt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 2170309 |
RVGreport 2009, 319 |
OLGR-Ost 2009, 718 |