Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 26.10.2022; Aktenzeichen (321 Cs) 231 Js 1812/22 (159/22)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 26. Oktober 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 26. Oktober 2022 wegen gemeinschaftlicher Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 € verurteilt. Ferner wurden fünf Tuben Sekundenkleber eingezogen.
Das Gericht hat es als erwiesen erachtet, dass der Angeklagte sich am 21. Juni 2022 zwischen 08:30 und 10:00 Uhr an der A 100 / Anschlussstelle T Damm an einer Straßenblockade der Gruppierung "Aufstand der letzten Generation" beteiligt hat, indem er sich mit sieben weiteren Personen auf die viel befahrene Straße setzte, um so die auf der betreffenden Straße befindlichen Fahrzeugführer bis zur Räumung der Blockade durch Polizeibeamte an der Fortsetzung ihrer Fahrt zu hindern. Das Amtsgericht hat ferner festgestellt, dass es, wie vom Angeklagten beabsichtigt, aufgrund der Blockade bis zu deren Auflösung jeweils zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen in Form eines Rückstaus zahlreicher Fahrzeuge gekommen ist. Ferner hat sich der Angeklagte nach Überzeugung des Amtsgerichts Tiergarten zur Erschwerung der Räumung der Blockade mit seiner linken Hand mittels Klebstoff auf der Straße befestigt, sodass die Polizeibeamten diese erst unter geraumem Zeitaufwand lösen mussten. Er hat nach den Feststellungen die Straße sodann freiwillig verlassen, wobei er fünf Tuben Sekundenkleber bei sich führte.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die auf die allgemeine Sachrüge gestützt ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 20. März 2023 beantragt, die Revision gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 26. Oktober 2022 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Die weitere Stellungnahme des Verteidigers vom 8. April 2023 lag dem Senat bei Entscheidungsfindung vor.
II.
Der statthaften und zulässig erhobenen Revision kann der (vorläufige) Erfolg nicht versagt bleiben. Das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1.
Die Darlegung der Beweiswürdigung ist unzulänglich und auf die Sachrüge zu beachten (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 1998 - 4 StR 88/98 -, juris m.w.N.). Denn ungeachtet des Umstandes, dass die Urteilsgründe eine Einheit bilden (vgl. BGHSt 65, 75; Senat, Beschluss vom 29. April 2022 - (3) 161 Ss 51/22 (15/22) -, juris m.w.V.), ergibt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe keine tragfähige Grundlage für die gebotene sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweisführung. Die Beschränkung der Beweiswürdigung - wie im vorliegenden Fall - auf den bloßen Hinweis, dass der Angeklagte geständig gewesen und der Bundezentralregisterauszug verlesen worden sei, ermöglicht nicht die Überprüfung des Geständnisses auf seine Richtigkeit und stellt sich auch vor dem Hintergrund der Verpflichtung der Strafgerichte, von Amts wegen den wahren Sachverhalt zu erforschen, als unzureichend dar (vgl. BGH NStZ 2023, 57; KG Berlin, Beschluss vom 16. Januar 2015 - (4) 161 Ss 240/14 (280/14) -, juris), zumal die tatsächlichen Feststellungen auch Angaben zu einem Rückstau "zahlreicher Fahrzeuge" enthalten. Dem Urteil ist aber nicht zu entnehmen, auf welchen Beweismitteln diese Feststellungen beruhen. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Nötigungserfolg bei einer Straßenblockade aufgrund der individuellen Ausprägung von Verkehrssituationen - insbesondere hinsichtlich der örtlichen und zeitlichen Begebenheiten - im Rahmen der Beweiswürdigung nicht als allgemeinkundig angesehen werden kann und dieser unter seiner konkreten Ausprägung im Einzelfall festgestellt und in der entsprechenden Beweisführung dargelegt werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - 3 StR 508/17 -, juris; zur Allgemeinkundigkeit vgl. KG Berlin, Beschluss vom 22. Juli 2009 - (4) 1 Ss 181/09 (130/09) -, juris [rechtskräftig] m.w.V.; LG Berlin, Urteil vom 18. Januar 2023 - (518) 237 Js 518/22 Ns (31/22) -, juris). Der Senat merkt weiter an, dass bei der Prüfung der Verwerflichkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB nicht nur die Grundrechte des blockierenden Angeklagten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 5, 8 GG), sondern auch das Maß der Auswirkungen auf Dritte und deren Grundrechte zu berücksichtigen sind und eine fallbezogene Abwägung vorzunehmen ist, wobei u.a. die Dauer der Blockade, die vorherige Bekanntgabe, etwaige Ausweichmöglichkeiten der Verkehrsteilnehmer und ein möglicher Sachbezug der Blockade erörterungsbedürftige Aspekte sind (zutreffend LG Berlin, a.a.O.). Der Senat weist jedoch darauf hin, dass eine - im Zuge einer Straßenblockade - absichtlich herbeigeführte und gezielte Behinderung Dritter mi...