Leitsatz (amtlich)
Die durch die Reise des am Wohnort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu dem Prozessgericht entstehenden Aufwendungen sind nicht erstattungsfähig, wenn er einer Sozietät angehört, die ebenfalls am Sitz des Prozessgerichts mit dort postulationsfähigen Rechtsanwälten vertreten ist.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 10.05.2004; Aktenzeichen 157b F 14185/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten werden die nach dem am August 2003 verkündeten Urteil des KG von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten in Abänderung des Beschlusses des AG Tempelhof-Kreuzberg v. 10.5.2004 auf 461,46 Euro festgesetzt. Dieser Betrag ist mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich ab dem 19.8.2003 zu verzinsen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin nach einem Wert von bis zu 600 Euro zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die in Bonn wohnhafte Klägerin nahm den Beklagten auf Unterhalt vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg in Anspruch. Der Rechtsstreit endete mit einem Urteil des KG vom 19.8.2003, das - nach Berichtigung - von den Kosten 44 % der Klägerin und 56 % dem Beklagten auferlegte.
Die Klägerin beauftragte mit ihrer Vertretung vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg sowie dem KG die Sozietät ihrer Prozessbevollmächtigten. Dieser gehörten u.a. in Berlin und Bonn ansässige Rechtsanwälte an, die Berliner Anwälte waren beim LG Berlin und dem KG zugelassen. Sachbearbeiter war ein in Bonn ansässiger Rechtsanwalt der Sozietät. Dieser reiste zu zwei Terminen vor dem AG sowie einem Termin vor dem Kammergericht an. Dafür hat die Klägerin Kosten (Reisekosten und Abwesenheitsgeld) von 1280,39 DM für die erste und 341,24 Euro für die zweite Instanz zur Kostenausgleichung angemeldet. Die Rechtspflegerin des AG hat diese Kosten berücksichtigt und zu Gunsten der Klägerin 967,75 Euro nebst Zinsen festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen, ihm am 28.5.2004 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 2.6.2004 sofortige Beschwerde eingelegt, der das AG nicht abgeholfen hat. Er wendet sich gegen die durch die Reisen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstandenen Kosten mit der Begründung, die Sozietät hätte mit der Terminswahrnehmung eines ihrer in Berlin ansässigen Mitglieder beauftragen können.
Die Klägerin tritt dem entgegen. Sie sei berechtigt gewesen, einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens an ihrem Wohnort nicht nur mit der schriftlichen Bearbeitung, sondern auch mit der Vertretung in Terminen vor einem auswärtigen Gericht zu beauftragen.
Der gem. § 568 Abs. 1 ZPO zuständige Einzelrichter hat das Beschwerdeverfahren dem Senat übertragen.
II. Die gem. § 104 Abs. 3 ZPO statthafte und rechtzeitig eingelegte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind nicht als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung in die Kostenausgleichung einzubeziehen.
Zwar durfte die Klägerin nach der Rechtsprechung des BGH seit dem Beschluss v. 16.10.2002 (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152), der der Senat folgt, einen Anwalt an ihrem Wohnsitz mit ihrer Vertretung beauftragen. Die durch dessen Reisen zur Wahrnehmung der Termine in Berlin entstandenen Kosten sind aber nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO) gewesen. Unstreitig hat die Klägerin mit ihrer Vertretung nicht nur den nach außen aufgetretenen Rechtsanwalt, sondern die gesamte Sozietät beauftragt, der er angehört. Damit schuldeten alle Rechtsanwälte dieser Sozietät grundsätzlich gemeinsam die Erfüllung der anwaltlichen Pflichten (BGH v. 29.10.1990 - AnwSt (R) 11/90, MDR 1991, 366 = NJW 1991, 49 [50]). Von der Klägerin werden keine Umstände vorgetragen, die hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten.
Da aufgrund dieses Mandats alle Rechtsanwälte der Sozietät die Termine wahrnehmen konnten, war die Anreise des nicht am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig (OLG München v. 8.3.2002 - 11 W 927/02, OLGReport München 2002, 195 = MDR 2002, 784; OLG Hamburg v. 27.6.2002 - 8 W 141/02, OLGReport Hamburg 2003, 152). Dies gilt unabhängig davon, dass die in Berlin ansässigen Sozien nach Darstellung der Klägerin keine Erfahrungen im Familienrecht haben. Auf die Kenntnisse eines einzelnen Rechtsanwalts kann bei einer (überörtlichen) Sozietät, die ihre Leistungsfähigkeit gerade auch aus ihrer Größe herleitet und diese im öffentlichen Auftreten regelmäßig - z.B. auf Briefköpfen - auch hervorhebt, nicht abgestellt werden (KG v. 12.10.1999 - 1 W 434/99, MDR 2000, 669 = KGReport Berlin 2000, 93; OLG München v. 8.3.2002 - 11 W 927/02, OLGReport München 2002, 195 = MDR 2002, 784). Die Möglichkeit der Arbeitsteilung und Spezialisierung der einzelnen Rechtsanwälte ist gerade ein Vorteil einer Sozietät, die si...