Leitsatz (amtlich)
1. Handelt es sich um ein aufwendiges und technisch schwieriges Operationsverfahren mit zahlreichen Fehlermöglichkeiten (hier handchirurgisches Operationsverfahren zur Neubildung des Daumens - Pollizisation), bestehen Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen, die eine neue Begutachtung erforderlich machen, wenn der Sachverständige eine solche Operation selbst noch nie durchgeführt, sondern bei dieser assistiert hat und die Assistententätigkeit weit zurückliegt (hier 18 Jahre).
2. Allein aus der Tatsache, dass das mit der Entscheidung zum Eingriff gewünschte Operationsergebnis nicht eingetreten ist, kann nicht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler geschlossen werden.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, §§ 249, 253; ZPO §§ 286, 412
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 22.02.2010; Aktenzeichen 6 O 181/06) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 22.2.2010 verkündete Urteil der Zivilkammer 6 des LG Berlin - 6 O 181/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Das angefochtene Urteil und dieses Urteils sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Von der Abfassung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil das die Klage vollständig abweisende Versäumnisurteil vom 12.10.2009 zu Recht aufrechterhalten. Denn der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Schmerzensgeldanspruch, §§ 280 Abs. 1, 611, 823 Abs. 1, 249, 253 BGB. Auch hat der Kläger keinen Feststellungsanspruch gegen die Beklagten hinsichtlich zukünftiger immaterieller und materieller Schäden.
Zwar steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die von dem Beklagten zu 2.) durchgeführte Operation nicht zu den erwarteten Ergebnissen geführt hat, so dass der Versuch der Daumenrekonstruktion durch Transplantation des linken Zeigefingers auf den I. Strahl der linken Hand des Klägers als funktionell nicht geglückt bewertet werden muss. Dies ergibt sich bereits aus dem sozialgerichtlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. B...vom 22.11.2005 (S. 17 des Gutachtens, Bl. 54 der beigezogenen Verfahrensakte des Sozialgerichts Potsdam S 12 U 147/04) und aus dem Gutachten des Dr. H...von der Unfallbehandlungsstelle der Berufsgenossenschaft Berlin e V. vom 21.2.2003 (Anlage K 2 zur Klageschrift). Dies hat auch der erstinstanzliche Sachverständige Dr. W...in seinem Gutachten vom 28.8.2007 nach klinischer Untersuchung des Klägers festgestellt, indem er ausgeführt hat, dass die Kraft der linken Hand und des linken Daumens gegenüber der rechten Seite erheblich vermindert ist und die primären Greifformen wie Spitzgriff und Schlüsselgriff behindert sind (S. 10 des Gutachtens). Danach besteht zudem eine erhebliche Muskelweichteilminderung im linken Arm und in der linken Hand, wobei die vom Kläger geschilderten Beschwerden als glaubhaft anzusehen sind (S. 11 des Gutachtens). Insbesondere der vom Senat gemäß Beweisbeschluss vom 22.8.2011 mit der Erstattung eines neuen Gutachtens beauftragte Dr. R...hat in seinem Gutachten vom 21.1.2013 ausgeführt, dass eine aktive Beugung und Streckung des Neodaumens nicht möglich ist, sondern sich dieser nur passiv beugen lässt, dass der Grobgriff der linken Hand eingeschränkt ist, weil hierbei der Neodaumen nicht eingesetzt wird, weswegen nur ein Klemmgriff durchgeführt werden kann, und dass der Präzisionsgriff mit der linken Hand erschwert ist. Weiter ergeben sich danach erhebliche Kraftunterschiede (S. 17, 18 des Gutachtens). Doch folgt allein aus dem Nichteintreten des gewünschten Operationsergebnisses kein Behandlungsfehler des Beklagten zu 2.). Vielmehr ist der Senat aufgrund der kompetenten und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. R...vom 21.1.2013 in Verbindung mit dessen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 5.9.2013 zu der Überzeugung gelangt, dass dem Beklagten zu 2.) bei der Durchführung der Pollizisation keine Fehler unterlaufen sind, weswegen das unzureichende Resultat der Pollizisation beim Kläger als schicksalhaft zu bewerten ist. Da auch die vom Kläger erhobenen Aufklärungsrügen nicht durchgreifen, ist seine Berufung insgesamt unbegründet.
I. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen Dr. K...R...und aufgrund Würdigung seiner Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 5.9.2013 bestehen für das Vorliegen von Behandlungsfehlern des Beklagten zu 2.) keine hinreichenden Anhaltspunkte. Danach konnte weder zur Überzeugung des Senats festgestellt werden, dass der Beklagte zu 2.) den Neodaumen behandlungsfehlerhaft nicht im regelhaften Winkel angesetzt hat, noch dass er es unterlassen hat, den Neodaumen auf ein regelrechtes Maß zu kürzen.
1. Der Kläger konnte nicht beweisen, dass der Beklagte zu 2.) den Zeigefinger behandlungsfehlerhaft nicht im regelhaften Winkel am Daumenstumpf angesetzt hat, indem er den Zeigefinger auf ca. 110 eingestellt h...