Leitsatz (amtlich)
1. Das Fiskuserbrecht des Staates gemäß dem ab 1962/1964 geltenden Recht der UdSSR ist als privates Erbrecht zu qualifizieren, hier Art. 117 Abs. 3 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung der UdSSR und der Unionsrepubliken vom 8.12.1961 (GU) und Art. 527 Abs. 3, 552 Abs. 1 Nr. 2 des Zivilgesetzbuchs der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik vom 11.6.1964 (ZGB/RSFSR-1964).
2. Die Regelung des Art. 532 ZGB/RSFSR-1964, nach der ein Cousin nicht zu den gesetzlichen Erben gehört, verstößt schon abstrakt nicht gegen die öffentliche Ordnung (ordre public).
Normenkette
EGBGB Art. 6, 25; GU Art. 117; ZGB/RSFSR 1964 Art. 527, 552
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 06.08.2008; Aktenzeichen 87 T 539/03) |
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 65 VI 690/91) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 202.000 EUR zurückgewiesen.
Gründe
Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27 ff. FGG i.V.m. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG), jedoch nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung, auf die die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG i.V.m. §§ 546 f. ZPO).
Die Annahme des LG, der Beteiligte sei auch hinsichtlich der im Inland belegenen Nachlassgegenstände nicht Erbe der Erblasserin, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Erbfolge richtet sich gem. Art. 220 Abs. 1 EGBGB i.V.m. Art. 24, 25 EGBGB a.F. insgesamt nach dem Recht der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) als dem Staat, dem die Erblasserin zum Todeszeitpunkt angehörte (vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 45. Aufl., Art. 24 EGBGB Anm. 2). Danach ist der Beteiligte nicht Erbe, weil die Erblasserin kein Testament hinterlassen hat und er nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehört, Art. 117 ff. der Grundlagen der Zivilgesetzgebung der UdSSR und der Unionsrepubliken vom 8.12.1961 (GU) und Art. 527 ff. i.V.m. Art. 8 Nr. 5, 567 des Zivilgesetzbuchs der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik vom 11.6.1964 (ZGB/RSFSR-1964). Deutsches Erbrecht kommt nicht zur Anwendung.
Eine Nachlassspaltung nach Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR vom 25.4.1958 (BGBl. 1959 II S. 232) ist nicht eingetreten. Dafür genügt es nicht, dass die Erblasserin als Rechtsnachfolgerin des 1976 verstorbenen G. W. Mitglied der ungeteilten Erbengemeinschaft nach dem 1929 verstorbenen S. V. war, zu dessen Nachlass ein Grundstück in Berlin-Charlottenburg gehörte. Selbst wenn der Konsularvertrag auch für Berlin (West) gegolten hätte und die gesamthänderische Beteiligung an einem Grundstück als unbewegliches Vermögen zu qualifizieren wäre (vgl. BGH NJW 2001, 2396 verneinend zu § 25 Abs. 2 RAG/DDR), ist diese jedenfalls durch die Übereignung des Grundstücks an einen Dritten vor dem Tod der Erblasserin entfallen. Der auf ein Bankkonto eingezahlte anteilige Kaufpreis (die Forderung gegen die Bank) ist kein unbeweglicher Nachlassgegenstand i.S.v. Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrags, auf den deutsches Recht Anwendung finden könnte. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des LG im angefochtenen Beschluss sowie im Beschl. v. 14.2.1996 - 87 T 83/95 verwiesen.
Hinsichtlich der im Inland befindlichen Nachlassgegenstände ist deutsches Erbrecht auch nicht ersatzweise oder auf Grund einer ungeschriebenen Rückverweisung (Art. 27, 28 EGBGB a.F.) deshalb anzuwenden, weil der Nachlass gem. Art. 117 Abs. 3 GU, Art. 527 Abs. 3, 552 Abs. 1 Nr. 2 ZGB/RSFSR-1964 dem Staat als Erben angefallen ist. Dem Erbstatut untersteht auch die Frage, welches Recht der Fiskus an einem erbenlosen Nachlass hat (KG, IPRspr. 1973 Nr. 105; Palandt/Thorn, BGB, 69. Aufl., Art. 25 EGBGB Rz. 10; Soergel/Schurig, BGB, 12. Aufl., Art. 25 EGBGB Rz. 29; Staudinger/Dörner, BGB, Neubearb. 2007, Art. 25 EGBGB Rz. 203; MünchKomm/Birk, BGB, 4. Aufl., Art. 25 Rz. 173). Anderes gilt allenfalls, wenn nach dem zur Anwendung berufenen ausländischen Recht das Fiskuserbrecht nicht - wie z.B. in § 1936 BGB - als privates Erbrecht, sondern als hoheitliches Aneignungsrecht zu qualifizieren ist, wobei die Bestimmung nach der lex fori erfolgt (vgl. KG IPRax 1986, 41, 42 zum schwedischen Fiskuserbrecht). Das Anfallsrecht des russischen Staates ist in Art. 117 GU, Art. 527, 552 ZGB/RSFSR-1964 aber als privates, grundsätzlich überall durchsetzbares Erbrecht und nicht als staatliches Okkupationsrecht ausgestaltet (vgl. Senat, a.a.O., zu Sowjet-Russland; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 3. Aufl. (1989), S. 223; Bungert, MDR 1991, 713; Graupner/Dreyling, ZVglRWiss 82 (1983), 193, 195; Schroeder, DNotZ 1964, 645, 666; a.A. Bilinksy, ROW 1982, 17, 22; unklar Ferid/Bilinsky, Internationales Erbrecht, Stand Juni 2010, UdSSR, Rz. 95).
Art. 117 Abs. 3 GU - seit Mai 1962 unmittelbar geltendes Recht in der gesamten UdSSR (vgl. Ferid/Bilinsky, a.a.O., Hinweise S. 1, Rz. 44) - bestimmt, dass das Vermögen des Erblassers durch Erbfolge auf den Staat übergeht. Dem entspricht die Regelung unter Art. 552 Abs. ...