Leitsatz (amtlich)
Fehlendes Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde gegen eine Ablehnungsentscheidung im Falle der prozessualen Überholung.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 17.09.2004; Aktenzeichen 32 O. 296/04) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG vom 17.9.2004 - 32 O. 296/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem der Hauptsache.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Zahlungsansprüche aus einem Gewerbemietvertrag geltend. Das LG hat nach Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens mit Verfügung vom 10.8.2004 Haupttermin zur mündlichen Verhandlung auf den 1.10.2004 bestimmt. Mit Schriftsatz vom 13.8.2004 hat die Beklagte unter Hinweis auf die Verhinderung ihres Prozessbevollmächtigten die Verlegung des Termin beantragt, worauf das LG den Termin mit Verfügung vom 24.8. aufgehoben und auf den 21.9.2004 verlegt hat. Darauf hin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.8.2004 mit gleicher Begründung auch die Verlegung dieses Termins beantragt und eine Terminierung am 24.9.2004 angeregt. Nachdem eine telefonische Anfrage des Gerichts bei den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergab, dass diese an dem von der Beklagten vorgeschlagenen Ausweichtermin ebenfalls verhindert waren, hat das LG den Verlegungsantrag der Beklagten mit Schreiben vom 3.9.2004 zurückgewiesen. Im Hinblick auf diese Entscheidung hat die Beklagte am 14.9.2004 den als Einzelrichter amtierenden Vorsitzenden Richter am LG Dwegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Mit Beschluss vom 17.9.2004, der der Beklagten am 20.9.2004 zugestellt worden ist, hat der abgelehnte Richter das Ersuchen selbst als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen. Gegen den zurückweisenden Beschluss hat die Beklagte am 20.9.2004 sofortige Beschwerde erhoben. Im folgenden Termin zur mündlichen Verhandlung unter Vorsitz des abgelehnten Richters hat das Gericht der Klage in vollem Umfang stattgeben und zugleich beschlossen, der Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abzuhelfen.
II. Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.
Zwar ist das Rechtsmittel dem Grunde nach statthaft (§§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Insbesondere steht der Zulässigkeit der Beschwerde trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts von § 46 Abs. 2 ZPO nicht entgegen, dass das LG das Ablehnungsersuchen nicht für unbegründet erklärt, sondern als unzulässig zurückgewiesen hat (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., Rz. Rz. 6). Darüber hinaus ist die sofortige Beschwerde auch in der gesetzlich vorgesehenen Form und Frist (§ 569 ZPO) eingelegt. Jedoch fehlt es für seine Zulässigkeit an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
Soweit das Rechtsschutzinteresse für ein Ablehnungsersuchen nachträglich wegfällt, muss sich dies grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren auswirken. Sinn und Zweck des Ablehnungsverfahrens und damit auch der Beschwerde ist es nämlich, die weitere Tätigkeit des zu Recht abgelehnten oder ausgeschlossenen Richters zu verhindern. Kommt eine solche Tätigkeit ohnehin nicht mehr in Betracht, etwa weil der Richter aus dem betreffenden Spruchkörper ausgeschieden ist, so ist eine sachliche Entscheidung über die Beschwerde nach allgemeiner Auffassung unzulässig, da ein schutzbedürftiges Interesse hieran nicht besteht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 46 Rz. Rz. 18 m.w.N.)
Inwiefern von einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses auch dann auszugehen ist, wenn - wie vorliegend - die Instanz unter Mitwirkung des abgelehnten Richters vollständig abgeschlossen worden ist, wird in Rechtssprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt (vgl. ausführlich zum Streitstand Günther, MDR 1989; 691 ff.; G. Vollkommer, Der ablehnbare Richter, 2001, S. 164 ff.). Einige Gerichte gehen in diesen Fällen grundsätzlich von einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis für die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnungsentscheidung aus (KG, Beschl. v. 1.12.1987 - 11 W 6384/87, MDR 1988, 237; OLG Karlsruhe, OLGZ 1978, 224; Rosenberg/Schwab/Gottwald; Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 24 Rz. 23; Schellhammer, Zivilprozess, 10. Aufl., Rz. 1336; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 46 Rz. 3a; ebenso für den Fall, dass gegen die Hauptsacheentscheidung ein Rechtsmittel nicht statthaft ist, OLG Koblenz v. 23.3.1992 - 4 W 113/92, NJW-RR 1992, 1464; ähnlich Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 46 Rz. Rz. 8). Nach der Gegenauffassung erlischt das Rechtsschutzinteresse stets mit Erlass der Instanz beendenden Entscheidung (OLG Frankfurt v. 4.7.1985 - 6 W 105/85, MDR 1985, 1032; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 46 Rz. 15; Feiber in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 47 Rz. 5; Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 47 Rz. 6). Von einer vermittelnden Meinung wird demgegenüber vertreten, dass das Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde gegen die Befangenheitsentscheidung jedenfalls dann entfällt, wenn gegen die Sachen...