Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 20.02.2012) |
Tenor
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. Februar 2012 wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
Der Angeschuldigte befand sich in dieser Sache seit dem 21. Mai 2011 in Untersuchungshaft. Grundlage war zunächst der Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten - (353 Gs) 243 Js 400/11 (2695/11) - vom 20. Mai 2011 und seit dem 1. November 2011 der diesen ersetzende, an dem genannten Tag erlassene und verkündete Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten - (353 Gs) 243 Js 400/11 (5698/11) -. Hierin wurde dem Angeschuldigten vorgeworfen, in Berlin und Dubai seit Oktober 2009 in mindestens elf Fällen anderen dabei Hilfe geleistet zu haben, eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 6 AufenthG zu begehen, und dafür einen Vorteil erhalten und wiederholt und zugunsten mehrerer Ausländer gehandelt zu haben, weiterhin anderen dabei Hilfe geleistet zu haben, eine Handlung nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zu begehen, und dafür einen Vermögensvorteil erhalten oder sich versprechen lassen zu haben. Der Senat hat im Verfahren nach §§ 121, 122 Abs. 1 StPO mit Beschluss vom 25. November 2011 - (2) 4 HEs 1/11 (9/11) - die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet und die Haftprüfung bis zum Urteil, längstens bis zum 24. Februar 2012, dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen. Wegen der konkreten Tatvorwürfe und der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf den Haftbefehl vom 1. November 2011, den zuvor genannten Senatsbeschluss sowie den Ergänzungsbeschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Dezember 2011 - (353 Gs) 243 Js 400/11 (6822/11) - Bezug.
Mit ihrer am 15. Februar 2012 bei dem Landgericht Berlin -eingegangenen Anklage vom 14. Februar 2012 legt die Staatsanwaltschaft Berlin dem Angeschuldigten 16 Fälle der Bestechung (in einem besonders schweren Fall; §§ 334 Abs. 1, 335 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 2 Nr. 3 StGB) zur Last, davon in 11 Fällen in Tateinheit mit dem (gewerbsmäßigen) Einschleusen von Ausländern (§§ 96 Abs. 1 Nr. 1a und b, Abs. 2 Nr. 1, 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) und in fünf Fällen in Tateinheit mit Vergehen gegen § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Die Fälle 1-11 der Anklage entsprechen den Fällen 1-11 des Haftbefehls vom 1. November 2011. Die Staatsanwaltschaft hat ferner beantragt, unter Aufhebung des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. November 2011 einen Haftbefehl nach Maßgabe des Anklagesatzes zu erlassen und die Haftverhältnisse fortdauern zu lassen. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug.
Am 17. Februar 2012 hat die Staatsanwaltschaft beantragt, die Akten gemäß §§ 121, 122 Abs. 4 StPO dem Kammergericht vorzulegen. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. Februar 2012 hat die 36. große Strafkammer - unter Annahme einer eigenen Haftprüfungskompetenz bis zum Ablauf der Übertragungsfrist nach § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO - den Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls und Ersetzung durch einen neuen Haftbefehl nach Maßgabe des Anklagesatzes zurückgewiesen, den Antrag auf Vorlage an das Kammergericht für erledigt erklärt und aus Klarstellungsgründen zurückgewiesen sowie den Angeschuldigten gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 20.000 Euro und weiterer Auflagen - Meldepflicht, Aufenthaltsbeschränkung und Abgabe der Ausweispapiere - vom Vollzug der Untersuchungshaft verschont. Der Angeschuldigte ist daraufhin am Nachmittag des 21. Februar 2012 aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die sich ausdrücklich nur gegen die Außervollzugsetzung des Haftbefehls, nicht aber gegen die Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des Haftbefehls und Ersetzung durch einen neuen Haftbefehl nach Maßgabe des Anklagesatzes richtet, ist zulässig (§ 304 Abs. 1 StPO), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Strafkammer hat ihre Zuständigkeit zur Prüfung der Haftfrage zu Recht angenommen. Diese ist nicht mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Akten dem Kammergericht zur Durchführung der besonderen Haftprüfung nach §§ 121, 122 Abs. 4 StPO vorzulegen, auf dieses übergegangen.
a) Zwar wird hinsichtlich der ersten Haftprüfung nach §§ 121, 122 Abs. 1 StPO allgemein angenommen, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft den Haftrichter zur Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht verpflichtet, auch wenn dieser selbst die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO nicht für gegeben hält (vgl. Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 122 Rdn. 5).
Danach verliert das nach § 126 StPO berufene Gericht mit dem Eingang des Antrags der Staatsanwaltschaft jegliche Befugnis zur Prüfung der Haftfrage und insbesondere die Befugnis, den Haftbefehl aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen (vgl. KG, Beschluss vom 1. September 2006 - 3 Ws 436/06 -; Meyer-Goßner aaO.; Schultheis in Karlsruher Kommentar, StPO 6. Aufl., § 122 Rdn. 4 f.; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 122 Rdn. 17; Paeffgen i...