Leitsatz (amtlich)
1. Führt der Betroffene bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung keinen Führerschein mit sich, so stehen die beiden Ordnungswidrigkeiten regelmäßig auch dann im Verhältnis der Tateinheit, wenn sie fahrlässig begangen wurden.
2. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40% ist regelmäßig von Vorsatz auszugehen.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 30.10.2018; Aktenzeichen 290 OWi 834/18) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 30. Oktober 2018 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Gegen den Betroffenen ist am 5. Juni 2018 ein Bußgeldbescheid wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 37 km/h erlassen worden. Mit dem angegriffenen Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Tateinheit mit fahrlässigen Nichtmitführens des Führerscheins verurteilt und insgesamt eine Geldbuße von 250,00 Euro festgesetzt, nach § 25 Abs. 1 StVG ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet und nach § 25 Abs. 2a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 4. Februar 2019 beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Verurteilung auch wegen des (fahrlässigen) Nichtmitführens des Führerscheins steht - wie vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt - nicht das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung entgegen.
Denn für die Unterbrechung der Verjährung bezüglich der am 22. April 2018 begangenen Tat unter anderem durch den Erlass des Bußgeldbescheides am 5. Juni 2018 ist insoweit unschädlich, dass dem Betroffenen im Bußgeldbescheid lediglich das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorgeworfen worden ist. Unterbrochen wird die Verjährung hinsichtlich der Tat im Sinne, auf die sich die Unterbrechungshandlungen beziehen, und zwar insgesamt im Sinne des geschichtlichen Ereignisses unter allen rechtlichen Gesichtspunkten. Eine Handlung, die auf die Verfolgung des Täters wegen dieser Tat abzielt, unterbricht die Verjährung insgesamt, und zwar unabhängig davon, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt sie die Tat würdigt und ob ein rechtlicher Aspekt und das zugrunde liegende tatsächliche Geschehen unerwähnt bleiben (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - 3 Ws (B) 555/11 -, [juris]; Göhler/Gürtler, OWiG 17. Aufl., § 33 Rn. 2; vor § 59 Rn. 50 f.).
Zutreffend ist das Amtsgericht nach diesen Grundsätzen von einer Tat ausgegangen. Das Dauerdelikt des Nichtmitführens des Führerscheins setzt voraus, dass das Fahrzeug geführt wird, so dass sich die Ausführungshandlung des Unterlassensdelikts mit dem Tätigkeitsdelikt teilweise deckt und in einem inneren Bedingungszusammenhang zueinander steht (vgl. Senat a.a.O.; OLG Düsseldorf NZV 2000, 382). Mithin ist die Verjährung auch hinsichtlich des Nichtmitführens des Führerscheins unterbrochen worden.
2. Die Rüge formellen Rechts weist keine nähere Begründung auf und ist als Verfahrensrüge nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt.
3. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils offenbart weder hinsichtlich des Schuld- noch des Rechtsfolgenausspruchs einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen, der die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gebieten würde.
a) Das Urteil beruht nicht auf der fehlerhaften Urteilsformel.
Die Urteilsgründe müssen in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck bringen, welchen gesetzlichen Tatbestand das Gericht als erfüllt ansieht und welche Vorschriften für die Bemessung von Rechtsfolgen maßgeblich waren. Urteilstenor (§ 260 Abs. 4 StPO) und Urteilsgründe (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) müssen erkennen lassen, gegen welche Tatbestände ein Betroffener verstoßen hat. Genügt das Urteil diesen Anforderungen, leidet es, wenn die Tat in der Urteilsformel nicht näher bezeichnet ist, aufgrund dessen nicht an einem durchgreifenden Rechtsfehler. Das Urteil kann nur dann auf einem Mangel des § 267 Abs. 3 StPO beruhen, wenn auch nach Heranziehung der Urteilsformel und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe zweifelhaft bleibt, welchen Ordnungswidrigkeitentatbestand das Gericht als erfüllt ansieht (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Januar 2018 - 3 Ws (B) 10/18 -; OLG Düsseldorf NZV 2000, 382; OLG Hamm NZV 2000, 95).
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Zwar enthält die Urteilsformel entgegen § 71 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO keine Bezeichnung der vom Amtsgericht als verwirklicht angesehenen Ordnungswidrigkeitentatbestände, jedoch ...