Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 01.12.2004; Aktenzeichen (571) 35 Js 5370/03 Ns (159/04))

 

Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Dezember 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat die Angeklagte am 30. Juli 2004 wegen Diebstahls, zwei Fällen der Urkundenfälschung, in einem Fall in Tateinheit mit Betrug" im anderen mit versuchtem Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Berlin mit dem Urteil vom 1. Dezember 2004 verworfen. Die dagegen gerichtete Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt, hat mit der Verfahrensrüge - vorläufig - Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu dem Rechtsmittel ausgeführt:

"1.

Die Revision dringt mit der Rüge der Verletzung der §§ 24, 338 Nr. 3 StPO durch. Die Revisionsführerin beanstandet mit Recht, dass an dem Urteil ein Richter mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden ist.

Die auf die zulässig erhobene (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Rüge vorzunehmende Prüfung nach Beschwerdegrundsätzen (vgl. Pfeiffer in KK StPO, 5. Aufl., § 338 Rdnr. 59) hat von dem mit der Revisionsbegründung vorgetragenen Sachverhalt auszugehen. In seinem das Gesuch ablehnenden Beschluss hat das Gericht die dem Vorsitzenden mit dem Ablehnungsantrag zugeschriebene Äußerung seiner Prüfung zu Grunde gelegt, mithin in tatsächlicher Hinsicht nicht in Abrede gestellt. Zudem hat der abgelehnte Richter davon abgesehen, eine dienstliche Erklärung nach § 26 Abs. 3 StPO abzugeben. Wenn dies erfolgte weil - wie hier - der Richter zu Unrecht von der Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs ausging, kann die so eingeschränkte Tatsachengrundlage dazu nötigen, den Vortrag des Befangenheitsgesuchs der Revisionsentscheidung zu Grunde zu legen (vgl. BGH Beschluss vom 9. November. 2004 - 5 StR 380/04 -' = NStZ 2005, 218).

Die Prüfung ergibt, dass das Ablehnungsgesuch rechtsfehlerhaft zurückgewiesen wurde. Zwar führt der Umstand, dass das Gesuch ohne Vorliegen einer der in § 26 a Abs. 1 StPO genannten Voraussetzungen als unzulässig zurückgewiesen wurde, allein nicht zu Aufhebung des Urteils (vgl. Pfeiffer a.a.O. m.w:N.). Jedoch ist die im Ablehnungsantrag aufgeführte Bemerkung des Vorsitzenden - auf die die Tat bestreitende Einlassung der Angeklagten - "dann will ich es Ihnen mal erklären, denn Sie waren es" geeignet, die Besorgnis der Befangenheit bei einem Angeklagten zu begründen. Befangenheit ist die innere Haltung eines Richters, die seine erforderliche Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit gegenüber den Verfahrensbeteiligten störend beeinflussen kann (vgl. BGHSt 1, 34, 39). Dies ist hier der Fall. Denn die genannte Äußerung als Reaktion auf das Bestreiten der Tat- kann von einem verständigen Angeklagten nicht anders als die Kundgabe des Richters von einer bei ihm bereits vorliegenden Überzeugung von der Schuld der Angeklagten verstanden werden. Die Angeklagte hatte daher Grund zu der Annahme, dass der Vorsitzende schon vor der Einführung weiterer Beweismittel ihr gegenüber eine innere Haltung eingenommen hatte, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit würde störend beeinflussen können. Es drängte sich für einen objektiven Empfänger angesichts der Gesamtumstände der Eindruck auf. der Vorsitzende sei bereits von der Schuld der Angeklagten überzeugt. Dies begründet/die Besorgnis der Befangenheit (vgl. BGH GA 62, 282, 283; BGHR S'tPO § 24 Abs. 2 Vorsitzender 6) .

2.

a

die erörterte Rüge der Revision zum Erfolg verhilft, ist ein Eingehen auf die weiter erhobene allgemeine Sachrüge entbehrlich."

Dieses Ausführungen treffen zu und begründen die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des . Landgerichts beruht auf § 354 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz StPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2567126

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