Leitsatz (amtlich)

Ist eine gegebenenfalls mit dem Attribut der unerlaubten Handlung verknüpfte Forderung rechtskräftig tituliert, kann der Schuldner während des anhängigen Insolvenzverfahrens seinen Widerspruch nicht mit der negativen Feststellungsklage verfolgen, sondern nur mit der Wiederaufnahme, der Vollstreckungsabwehrklage oder der rechtskraftdurchbrechenden Klage nach § 826 BGB.

 

Normenkette

InsO § 184 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 02.02.2011; Aktenzeichen 14 O 553/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Berlin - 14 O 553/10 - vom 2.2.2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe. Er will den Beklagten als Insolvenzverwalter auf Feststellung in Anspruch nehmen, dass er als ehemaliger Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin durch im Einzelnen aufgeführte Zahlungen vorsätzlich unerlaubte Handlungen i.S.v. § 64 Abs. 2 GmbHG nicht begangen hat.

Das AG Charlottenburg - 36a IN 2696/06 - eröffnete am 28.8.2006 über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren und bestellte den Antragsgegner zum Insolvenzverwalter. Das LG Berlin - 9 O 183/07 - erkannte dem Antragsgegner mit am 6.3.2008 verkündetem Versäumnisurteil einen Betrag von 28.476,30 EUR nebst Zinsen zu und stellte fest, dass der Antragsteller aus unerlaubter Handlung haftet.

Das AG Charlottenburg - 36 s IN 2246/10 - eröffnete im Jahre 2010 über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren und bestellte Rechtsanwalt W., zum Insolvenzverwalter. Der Antragsgegner meldete die titulierte Forderung zur Tabelle an. Der Antragsteller widersprach im Prüfungstermin.

Das LG hat mit Beschluss vom 2.2.2011 die nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der beabsichtigten Klage stehe die Rechtskraft des Versäumnisurteils entgegen. Gegen den ihm am 4.2.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 16.2.2011 eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers, der das LG nicht abgeholfen hat.

II. Zur Entscheidung ist gem. § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter berufen.

Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 2 ZPO.

Das Rechtsmittel ist aber unbegründet. Das LG hat mit Recht die nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 Satz 1 ZPO.

Der begehrten Feststellung steht die Rechtskraft des Versäumnisurteils entgegen.

Bereits die Ansicht des Antragstellers, der Antragsgegner habe mit seiner Klage von seinem Recht nach § 184 Abs. 1 InsO Gebrauch gemacht, ist unzutreffend. Denn das setzte voraus, dass zu jenem Zeitpunkt das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers bereits eröffnet gewesen wäre. Tatsächlich hat der Antragsteller schon das Gesuch um Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen mit dem Ziel der Restschuldbefreiung erst lange nach Verkündung des Versäumnisurteils gestellt.

Die Frage, ob der Antragsteller unerlaubte Handlungen begangen hat, ist aufgrund des Versäumnisurteils geklärt. Dieser Titel ist der materiellen Rechtskraft fähig (BGH NJW-RR 1987, 832). Nach der vorherrschenden Ne bis in idem-Lehre bedeutet dies, dass nicht nur eine abweichende Entscheidung im zweiten Prozess verboten ist, sondern dass das neue Verfahren schlechthin unzulässig ist (BGH NJW-RR 2009, 790).

Der Antragsteller macht geltend, das Insolvenzgericht habe ihn dahin belehrt, dass er binnen einer Frist von einem Monat den in dem Prüfungstermin erklärten Widerspruch verfolgen müsse. Diese Auskunft ist richtig. Allerdings folgt aus der grundsätzlichen Zulässigkeit des Widerspruchs gegen eine titulierte Forderung nicht, dass deshalb die Rechte des Schuldners erweitert sind und über die Forderung völlig neu befunden werden kann (KPB/Pape/Schaltke, InsO, § 184 Rz. 102; wohl auch Gerhardt in Jaeger, InsO, § 184 Rz. 6). Vielmehr stellen weder der Widerspruch noch der Feststellungsrechtsstreit die materielle Rechtskraftwirkung eines formell rechtskräftigen Titels infrage (HambKom/Herchen, InsO, 3. Aufl., § 184 Rz. 11). Dem Schuldner stehen daher zur Verfolgung des Widerspruchs keine weiter gehenden Möglichkeiten zu Gebote als außerhalb des Insolvenzverfahrens, d.h. bei rechtskräftigen Titeln die Wiederaufnahme (§§ 578 ff. ZPO), die Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) und die rechtskraftdurchbrechende Klage nach § 826 BGB (vgl. auch Schumacher in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 184 Rz. 8c; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 184 Rz. 16; Nerlich/Römermann/Becker, InsO, § 184 Rz. 34; FK-InsO/Kießner, 6. Aufl., § 184 Rz. 9).

Ohne Erfolg beruft der Antragsteller sich auf den offenen Wortlaut des Gesetzes. Die nach s...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge