Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 17 O 223/07)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Berufungskläger erhält gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau, auf Schadensersatz in Anspruch aus einem Verkehrsunfall am 12.4.2007 auf der Franz-Körner-Straße; die Kollision zwischen dem im Eigentum der Ehefrau des Klägers, ..., stehenden und von dieser geführten Pkw Nissan Micra (...) und dem von dem Beklagten zu 3 gehaltenen, von dem Zweitbeklagten geführten und bei der Erstbeklagten versicherten Kleinbus Renault Traffic (...) ereignete sich im Begegnungsverkehr in Höhe der Hausnummer ... (Schadenstellen jeweils links vorne), nachdem der Zweitbeklagte vom Britzer Damm nach rechts in die Fritz-Körner-Straße eingebogen war.

Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme am 10.7.2008 - unter Abzügen in der Höhe des Anspruchs - nach einer Quote von 100 % stattgegeben mit der Begründung, der Zweitbeklagte habe den Unfall allein verschuldet, weil er unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 Satz 1 StVO der Ehefrau des Klägers auf deren Fahrspur entgegen gekommen sei; dies stehe zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der Aussage der als Zeugin vernommenen .., deren Angaben auch bestätigt würden durch das Polizeifoto von der Kollisionsstellung der Fahrzeuge (Bl. 13 der Akten des gegen den Zweitbeklagten geführten Strafverfahrens des AG Tiergarten 297 Ds 69/07). Dagegen sei der gegenteiligen Unfalldarstellung des persönlich angehörten Zweitbeklagten nicht zu folgen, zumal er derartiges weder am Unfallort ggü. der Polizei noch in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung vor dem AG Tiergarten am 14.12.2007 behauptet habe, und gegen ihn das Verfahren dann mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten nach Zahlung von 700 EUR gem. § 153a StPO eingestellt worden sei.

Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie die Abweisung der Klage in vollem Umfang erstreben.

Sie machen geltend: Das LG hätte sein Urteil nicht allein auf die Aussage der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Klägers stützen dürfen, die als Eigentümerin und Führerin des Fahrzeugs am Ausgang des Rechtsstreits wirtschaftlich und rechtlich interessiert sei; auch sei zu beachten, dass das LG der Klage allenfalls nach einer Quote von 50 % hätte stattgeben können, wenn nicht die Klägerin ihre Ansprüche an ihren Ehemann abgetreten und sich dadurch die Stellung einer Zeugin verschafft hätte.

Dagegen habe der Zweitbeklagte bei seiner Anhörung einen nicht minder glaubwürdigen Eindruck gemacht, keine wirtschaftlichen Interessen am Ausgang des Rechtsstreits gehabt und mit seiner Zahlung zum Zwecke der Einstellung des gegen ihn geführten Strafverfahrens nicht seine Schuld eingestanden, jedenfalls nicht eine Alleinschuld.

II. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Die Feststellung des Sachverhalts durch das LG ist nicht zu beanstanden.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (vgl. KG, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02; vgl. auch KG [22. ZS], KGReport Berlin 2004, 38 = MDR 2004, 533; KG, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02, KGReport Berlin 2004, 269).

§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf.

So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 286 Rz. 2a) oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 286 Rz. 13).

Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für sei...

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