Leitsatz (amtlich)
Entlässt das Betreuungsgericht einen Betreuer unter gleichzeitiger Bestellung eines neuen Betreuers, steht der noch ausstehende Schlussbericht des bisherigen Betreuers der Abgabe des Verfahrens an das Betreuungsgericht des neuen Wohnorts des Betroffenen grundsätzlich nicht entgegen.
Normenkette
FamFG §§ 5, 273
Tenor
Das Betreuungsverfahren ist von dem AG.zu führen
Gründe
I. Mit Beschlüssen vom 27.5.2010 und vom 26.11.2010 wurde die Tochter der Betroffenen zunächst vorläufig und dann dauerhaft zu deren Betreuerin bestellt. Am 15.9.2010 berichtete die Betreuerin über die bisherige Betreuung und reichte ein Vermögensverzeichnis ein. Auf Wunsch der Betroffenen und ihrer Betreuerin wurde diese mit Beschluss vom 31.5.2011 aus ihrem Amt entlassen und die Schwester der Betroffenen zur Betreuerin bestellt.
Am selben Tag hat das AG Lichtenberg das Betreuungsverfahren an das AG.abgegeben, weil die Betroffene in den dortigen Bezirk verzogen war. Das AG.hat mit Hinweis auf den noch ausstehenden Schlussbericht der entlassenen Betreuerin die Übernahme abgelehnt, worauf das AG Lichtenberg die Sache dem Senat vorgelegt hat.
II. Der Senat ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 FamFG zur Entscheidung des Übernahmestreits berufen, nachdem das AG.die Übernahme des Verfahrens abgelehnt hat. Gemeinschaftliches oberes Gericht der beteiligten Betreuungsgerichte ist der BGH und das AG., wo das Betreuungsverfahren derzeit geführt wird, gehört zum Bezirk des KG.
Zu Recht hat das AG.das Betreuungsverfahren an das AG.abgegeben, weil die Betroffene inzwischen im dortigen Bezirk lebt, §§ 273 S. 1, 4 S. 1 FamFG.
Der Übernahme steht der noch ausstehende Schlussbericht der vormaligen Betreuerin nicht entgegen. Durch die Abgabe des Verfahrens muss im Hinblick auf das Wohl des Betroffenen ein Zustand geschaffen werden, der eine zweckmäßigere, leichtere Führung der Angelegenheit ermöglicht (Budde, in: Keidel, FamFG, 16. Aufl., § 273 Rz. 3; BayObLG FamRZ 1993, 449). Zwar soll das abgebende Gericht unter dem Gesichtspunkt der Abgabereife verpflichtet sein, zunächst alle Verfügungen zu treffen, die im Zeitpunkt der Abgabe von Amts wegen oder auf Antrag ergehen müssen (OLG Brandenburg, NJWE-FER 2000, 322; BayObLG, FamRZ 1994, 1189; 1995, 483; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 449; Sonnenfeld in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Betreuungsrecht, 5. Aufl., § 273 FamFG, Rz. 20). Dieser Grundsatz beruht auf der Überlegung, dass anstehende Entscheidungen leichter, schneller und zweckmäßiger von dem Gericht getroffen werden können, das mit der Sache vertraut ist, weil es das Verfahren längere Zeit geführt hat (BayObLG FamRZ 1997, 439). Er gilt deshalb ebenfalls nur mit der Einschränkung einer erforderlichen Zweckmäßigkeitsprüfung. Auch für die Frage, ob und gegebenenfalls welche Verfügungen das Gericht vor einer Abgabe zu treffen hat, sind in erster Linie Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend (BayObLG FamRZ 1997, 439; 1999, 159; 2000, 1299; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 449; OLG München, FGPrax 2008, 67; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1982, 483, Sonnenfeld, a.a.O.). Es handelt sich nicht um eine Frage der verfahrensrechtlichen Zulässigkeit der Abgabe, sondern um die Beurteilung des wichtigen Grundes bezogen auf den konkreten Stand des Betreuungsverfahrens zum Zeitpunkt der Abgabe (Budde in Keidel, FamFG, 16. Aufl., § 273 Rz. 5). Die Prüfung ist deshalb nach den Interessen und dem Wohl des Betreuten vorzunehmen, die in der Regel darauf gerichtet sind, dass ein ortsnahes Gericht die Betreuung führt (OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 449; OLG München, FGPrax 2008, 67). Solche wesentlichen Verfügungen sind derzeit von dem abgebenden Betreuungsgericht aber nicht mehr zu treffen, nachdem es bereits mit Beschluss vom 31.5.2011 über den Betreuerwechsel entschieden hat.
Der Streit der Betreuungsgerichte über die Prüfung des noch ausstehenden Schlussberichts der vormaligen Betreuerin hindert die Abgabe nicht. Das Interesse des Betroffenen daran, dass ein ortsnahes Gericht die Betreuung führt, geht dem Interesse des übernehmenden Gerichts vor, keine Aufgaben übernehmen zu müssen, die ein anderes Gericht mit weniger Aufwand erledigen könnte (OLG München, FGPrax 2008, 67). Vorliegend kommt hinzu, dass der Prüfungsaufwand nicht groß sein wird im Hinblick darauf, dass der Schlussbericht lediglich den Zeitraum seit dem letzten Bericht vom 15.9.2010 bis zum Betreuerwechsel am 31.5.2011 erfassen wird und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ohnehin überschaubar sind. Schließlich spricht für die baldige Befassung des AG.die noch ausstehende Verpflichtung der neuen Betreuerin, § 289 FamFG, die zweckmäßigerweise von dem Gericht vorgenommen wird, das künftig in jedem Fall das Verfahren zu führen hat und für die dort ansässige neue Betreuerin auch leichter erreichbar sein dürfte. Das ist aber das AG Neuruppin, das eine Übernahme nach Vorlage und Prüfung des Schlussberichts auch nicht in Frage gestellt hat.
Fundstellen
FGPrax 2012, 19 |
BtPrax 2012, 40 |
Rpfleger 2012, 255 |