Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisung von der Kammer für Handelssachen an die Zivilkammer
Normenkette
GVG § 97 Abs. 2
Tenor
Die Zivilkammer 5 des LG Berlin wird als der funktionell zuständige Spruchkörper bestimmt.
Gründe
I. Die Zivilkammer 5 und die Kammer für Handelssachen 90 des LG Berlin streiten über die funktionelle Zuständigkeit für ein Verfahren, in dem die Klägerin einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung geltend macht. In ihrer Klageschrift hatte sie beantragt, den Rechtsstreit vor der Kammer für Handelssachen zu verhandeln; dass der Beklagte im Handelsregister als Kaufmann eingetragen sei, trug sie nicht vor. Die Kammer für Handelssachen 90, bei der der Rechtsstreit zunächst geführt wurde, erklärte sich für funktionell unzuständig und verwies den Rechtsstreit von Amts wegen an die Zivilkammer. Die Zivilkammer 5, bei der der Rechtsstreit sodann geführt wurde, erklärte sich ebenfalls für funktionell unzuständig und legte die Sache dem KG zur Entscheidung über die Zuständigkeit vor.
II.1. Das KG ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, der auf Streitigkeiten über die funktionelle Zuständigkeit zwischen einer Kammer für Handelssachen und einer Zivilkammer entsprechend anzuwenden ist (ebenso KG, 2 AR 10/08, KGReport Berlin 2008, 626 [626]; OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2005, 257 [257]; OLG Celle OLGReport Celle 2004, 370 [370]; OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2002, 455 [455]; OLG Braunschweig OLGReport Braunschweig 1995, 154 [154]; Gummer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 102 GVG Rz. 3), zur Bestimmung des zuständigen Spruchkörpers berufen. Denn sowohl die Zivilkammer 5 als auch die Kammer für Handelssachen 90 haben sich mit nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen für funktionell unzuständig erklärt.
2. Die Zivilkammer 5 ist gem. §§ 94, 97 Abs. 2 GVG funktionell zuständig.
Denn die Kammer für Handelssachen 90 hat den Rechtsstreit im Ergebnis zu Recht gem. § 97 Abs. 1 Satz 1 GVG an die Zivilkammer verweisen, nachdem der Rechtsstreit gem. § 95 GVG keine Handelssache ist. Insbesondere sind die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG nicht gegeben, weil der Beklagte nicht als Kaufmann in das Handelsregister eingetragen ist. Von der Nichteintragung ist deshalb auszugehen, weil die Parteien und insbesondere die hierfür darlegungspflichtige Klägerin einen Eintrag nicht vorgetragen haben. Im Übrigen hat der Senat vorsorglich - obgleich er im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 GVG nicht zur Amtsermittlung verpflichtet ist - das elektronische Handelsregister des AG Charlottenburg abgefragt und dabei festgestellt, dass der Beklagte dort nicht als Kaufmann eingetragen ist.
Die fehlende Handelsregistereintragung ist nicht etwa gem. § 97 Abs. 2 Satz 2 GVG außer Betracht zu lassen (ebenso OLG Nürnberg NJW-RR 2000, 568 [568]; OLG Hamburg, TranspR 1999, 127 [128]; Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl. 2008, § 97 Rz. 7 a.E.; Zimmermann in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2008, § 97 GVG Rz. 10; Wittschier in Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 97 GVG Rz. 4 a.E.; Hartmann in Baumbach, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 97 GVG Rz. 6; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 97 GVG Rz. 4 a.E.; dagegen jedoch: OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1220 [1221]; Gummer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 97 GVG Rz. 4; noch offen gelassen: Senat, Beschluss vom 21.6.2006, 2 AR 31/06).
Für diese Auffassung spricht zum einen der Wortlaut des § 97 Abs. 2 Satz 2 GVG (ebenso OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.). Denn dieser ordnet nur die Unbeachtlichkeit des Fehlens der Eigenschaft als "Kaufmann" an. Ausweislich des Wortlauts von § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG ist dabei die Eigenschaft des Kaufmannes von der Eintragung im Handelsregister zu unterscheiden. Diese Unterscheidung wird bestätigt durch die Regelung in §§ 1, 2 Satz 1 HGB, wonach die Handelsregistereintragung keine Voraussetzung für die Bejahung der Kaufmannseigenschaft ist. Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass der Kaufmannsbegriff in § 97 Abs. 2 Satz 2 GVG anders auszulegen ist als in § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG und §§ 1, 2 Satz 1 HGB sind nicht ersichtlich. Der gegenteiligen Auffassung des OLG Düsseldorf (a.a.O.; zustimmend Gummer in Zöller, a.a.O.), wonach "die Handelsregistereintragung lediglich ein ... den Kaufmannsbegriff umschreibendes Element ist", kann der Senat daher nicht folgen.
Für die hier vertretene Auffassung spricht zum anderen der Sinn und Zweck des § 97 Abs. 2 Satz 2 GVG. Denn dieser ist es, Schwierigkeiten bei der Feststellung der Kaufmannseigenschaft zu vermeiden (ebenso OLG Hamburg, TranspR 1999, 127 [128]).
Die Vermeidung von Feststellungsschwierigkeiten ist deshalb ein gesetzliches Anliegen, weil das Verweisungsverfahren gem. §§ 97 ff. GVG eine im Wesentlichen nur vorbereitende Funktion für die Klärung der eigentlich inmitten des Rechtsstreites stehenden, sachlich-rechtlichen Fragen hat und es daher angemessen ist, das Verweisungsverfahren einfach und zügig ablaufen zu lassen. Letzteres gibt das Gesetz auch in den Regelungen über die Unanfechtbarkeit und die Bindungswirkung ...