Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen des gegen eine Verfahrensaussetzung gerichteten Beschwerdeverfahrens ist überprüfbar, ob die tatbestandliche Voraussetzung für eine Aussetzung nach § 148 ZPO, nämlich eine Vorgreiflichkeit vorliegt; im Übrigen darf das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung nur auf einen Verfahrens- oder Ermessensfehler hin überprüfen.
Macht der Beklagte gegen die Klageforderung Gegenrechte geltend und erhebt er in einem weiteren Rechtsstreit der Parteien Widerklage auf Feststellung des Bestehens dieser Gegenrechte, so ist die Entscheidung über die Feststellungswiderklage vorgreiflich i.S.d. § 148 ZPO für die Entscheidung des ersten Rechtsstreits.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 09.11.2007; Aktenzeichen 36 O 159/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerins vom 20.11.2007 gegen den Beschluss der Zivilkammer 36 des LG Berlin vom 9.11.2007 - 36 O 159/07 - wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. §§ 252, 567 Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde ist aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 23.11.2007 unbegründet.
Der angefochtene Beschluss lässt weder Rechtsfehler noch Ermessensfehler erkennen.
Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreites oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts, nachdem dieses - noch ohne ein Ermessen - festgestellt hat, dass die erforderliche Abhängigkeit (Vorgreiflichkeit) vorliegt (vgl. nur Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 148, Rz. 5, 7; Baumbach u.a., ZPO, 66. Aufl., § 148, Rz. 32). Bejaht es diese, handelt das Gericht bei der anschließenden Entscheidung darüber, ob es wegen dieser Vorgreiflichkeit das Verfahren aussetzt, im Rahmen eines pflichtgemäßen Ermessens (BGH NJW-RR 2007, 307; KG, Beschl. v. 10.10.2006 - 8 W 55/06, KGReport Berlin 2007, 112 = MDR 2007, 736).
Das Beschwerdegericht darf die vorinstanzliche Ermessensentscheidung nur auf einen Verfahrens- oder Ermessensfehler überprüfen (Baumbach u.a., a.a.O., § 252, Rz. 8; Zöller, a.a.O., § 252, Rz. 3; LAG Nürnberg, NZA-RR 2003, 602; OLG Düsseldorf, NJW 1985, 1966; OLG München, JurBüro 2003, 154; OLG Brandenburg OLGReport Brandenburg 2006, 780).
Der Prüfung des Beschwerdegerichts unterliegt insoweit lediglich, ob das Erstgericht die Grenzen des ihm durch § 148 ZPO eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens bei der Anordnung der Aussetzung überschritten hat. Es kann die angegriffene Entscheidung nur auf etwaigen Missbrauch des Ermessens überprüfen, das heißt darauf, ob sich das Erstgericht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Das Beschwerdegericht ist nicht befugt, sein Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen (LAG Nürnberg, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Voll überprüfbar ist dagegen, ob die tatbestandliche Voraussetzung für die Ausübung des Ermessens, nämlich eine Vorgreiflichkeit vorliegt (KG, Beschl. v. 10.10.2006 - 8 W 55/06, KGReport Berlin 2007, 112 = MDR 2007, 736; Beschl. v. 11.6.2007 - 12 W 17/07).
1. Das LG ist in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass eine Vorgreiflichkeit der Entscheidung über die Widerklage der hiesigen Beklagten vor dem LG München I - 24 O 3629/07 - für den beim LG Berlin anhängigen Rechtsstreit zum Az. 36 O 159/07 - vorliegt.
Vorgreiflichkeit i.S.d. § 148 ZPO ist gegeben, wenn im anderen Verfahren über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, dessen Bestehen für den vorliegenden Rechtsstreit als Vorfrage präjudizielle Bedeutung hat; das Rechtsverhältnis muss den Gegenstand des anderen Verfahrens bilden und darf dort nicht seinerseits nur Vorfrage sein (Zöller, a.a.O., § 148 Rz. 5; Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 148 Rz. 3; Baumbach u.a., a.a.O., § 148 Rz. 4).
Insoweit hat das LG zutreffend ausgeführt, dass die Entscheidung des LG München I - 24 O 3629/07 - vorgreiflich für den vorliegenden Rechtsstreit ist; denn dort wird rechtskräftig über das Bestehen der dortigen Widerklageforderung entschieden, die die Beklagte hier lediglich als Gegenrecht geltend macht.
Die Argumentation der Klägerin auf S. 2 der Beschwerdebegründung rechtfertigt keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Zwar trifft es zu, dass im Falle einer Zug-um-Zug-Verurteilung der Kläger teilweise mit seiner Klage unterliegt und diese Beschränkung des Klageanspruchs in Rechtskraft erwächst.
Soweit die Klägerin jedoch weiter geltend macht, das LG habe selbst festzustellen, ob aus dem Bestehen des von der Beklagten erhobenen Gegenanspruchs ein Beschränkung des Klageanspruchs folgt, so ist darauf hinzuweisen, dass eben dieser Gegenanspruch der Streitgegenstand der vor dem LG München I erhobenen Widerklage ist mit der Folge, dass nur dort r...