Leitsatz (amtlich)

Im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 Abs. 1 ZPO hat das Prozessgericht den Einwand des Vollstreckungsschuldners, er habe erfüllt, zu berücksichtigen (Fortentwicklung von BGHZ 161, 67 zu § 887 ZPO).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 30.07.2007; Aktenzeichen 30 O 480/05)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des LG Berlin vom 30.7.2007 - Geschz.: 30 O 480/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

1. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1, 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässig, insbesondere statthaft und fristwahrend eingelegt; über sie hat nach § 568 Satz 1 und 2 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden.

2. In der Sache begehrt die Beschwerdeführerin die Festsetzung eines Zwangsmittels gegen den Beschwerdegegner gem. § 888 Abs. 1 ZPO wegen Zuwiderhandlung gegen den Tenor zu 1a) und 1b) des Anerkenntnisurteils vom 27.4.2006 sowie die Festsetzung eines Ordnungsmittels gem. § 890 Abs. 1 ZPO wegen der Zuwiderhandlung gegen den Tenor zu 1d) dieses Urteils. Dass Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vom 14.6.2007 insgesamt nur von "Ordnungsgeld" bzw. "Ordnungshaft" spricht, ist unschädlich und beruht offenbar auf einer rechtlichen Fehleinschätzung ihres Verfahrensbevollmächtigten. Im Einzelnen ergibt sich danach:

a) Soweit die Beschwerdeführerin die Festsetzung eines Zwangsmittels wegen Nichtvornahme der aus dem Tenor zu 1a) des Anerkenntnisurteils geschuldeten Handlungen (Umsatzauskunft) begehrt, hat sie den Vortrag des Beschwerdegegners, wonach dieser die Umsatzauskunft mit Schreiben vom 11.7.2006 bereits erteilt hat, nicht bestritten.

Nach der Entscheidung des BGH in BGHZ 161, 67 ist im Verfahren nach § 887 ZPO der Einwand der Erfüllung zu berücksichtigen. Gleiches hat nach Auffassung des Senats für das vorliegend in Rede stehende Verfahren nach § 888 ZPO zu gelten (ebenso Stöber in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 888 Rz. 11; Gruber in MünchKomm zu ZPO, 3. Aufl. 2007, § 888 Rz. 11). Denn die wesentlichen Argumente, die für eine Berücksichtigungsfähigkeit des Erfüllungseinwandes im Verfahren nach § 887 ZPO sprechen, treffen auch für das Verfahren nach § 888 ZPO zu: Zum einen ist die Berücksichtigung des Erfüllungseinwandes in beiden Verfahren deutlich verfahrensökonomischer als die alternativ in Betracht zu ziehende Durchführung eines gesonderten Vollstreckungsabwehrkageverfahrens nach § 767 ZPO, zumal dieses Verfahren schwerfälliger ist als die Verfahren nach §§ 887 und 888 ZPO. Zum anderen ist das Prozessgericht, das zur Entscheidung in den Verfahren nach §§ 887 und 888 ZPO gleichermaßen berufen ist, anders als andere Vollstreckungsorgane - wie etwa der Gerichtsvollzieher oder das Grundbuchamt, personell und verfahrensmäßig ohne weiteres in der Lage, die mit dem Erfüllungseinwand etwaig einhergehenden Streitfragen zu klären. Ferner spricht für die Berücksichtigung des Erfüllungseinwandes im Verfahren nach § 888 ZPO die Ähnlichkeit dieser Vorschrift mit § 890 ZPO, nach dessen Wortlaut ("Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider") eine Berücksichtigung der "Erfüllung" - d.h. dort der Unterlassung bzw. Duldung - unzweifelhaft erforderlich ist. Im Übrigen ist zwar festzustellen, dass der Wortlaut des § 888 Abs. 1 ZPO, anders als derjenige des § 887 Abs. 1 ZPO, nicht eindeutig für die Berücksichtigung des Erfüllungseinwandes spricht (ebenso BGH, a.a.O.). Jedoch ist auch festzustellen, dass der Wortlaut des § 888 Abs. 1 ZPO ("[den] Schuldner ... anzuhalten") die hier vertretene Deutungsmöglichkeiten immerhin zulässt. Denn nur ein widerstrebender, d.h. nicht erfüllender Schuldner kann sinnvollerweise "angehalten" werden; der Gesichtspunkt der Nichterfüllung kann daher zwanglos in den Wortlauf des "Anhaltes" hineingelesen werden.

Die Erfüllung hat zur Folge, dass das Zwangsmittel nicht zu verhängen war.

b) Soweit die Beschwerdeführerin die Festsetzung eines Zwangsmittels wegen Nichtvornahme der aus dem Tenor zu 1b) des Anerkenntnisurteils geschuldeten Handlungen (Zurverfügungstellung von betriebswirtschaftlichen Auswertungen für die Monate April bis Dezember 2003) begehrt, ist sie dem substantiierten Vortrag des Beschwerdegegners, wonach dieser sämtliche Praxisunterlagen in den Besprechungsterminen vom 18. und 19.10.2006 zur Verfügung gestellt hat, nicht entgegengetreten; sie hat lediglich vorgetragen, dass "Belege zu den Erlöskonten" fehlten. Hierzu führt das LG in seiner angegriffenen Entscheidung jedoch zutreffend aus, dass eine Pflicht zur Vorlage von Belegen nach dem Anerkenntnisurteil nicht besteht. Sollte im Übrigen der Vortrag der Beschwerdeführerin zur behauptetermaßen unzureichenden "Vorlage" von Unterlagen durch den Beschwerdegegner - wie von diesem geltend gemacht - dahingehend zu verstehen sein, dass es der Beschwerdegegner in den o.g. Besprechungsterminen unterlassen hat, aus den diversen Praxisunterlagen genau diejenigen herauszu...

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