Leitsatz (amtlich)
1. Beruft sich der Unterhaltspflichtige auf eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit wegen einer Verringerung seines Einkommens aus Erwerbstätigkeit und bestreitet der Unterhaltsberechtigte die Einkommensverringerung, muss der Verpflichtete nicht nur die Gehaltsbescheinigungen vorlegen, aus denen sich das neue Gehalt ergibt, sondern auch darlegen und beweisen, dass und mit welchem Inhalt ab wann der Arbeitsvertrag geändert worden ist.
2. Einkommen der unterhaltsberechtigten Ehefrau aus einer überobligatorischen Erwerbstätigkeit ist auch dann dem bedarfsbestimmenden Einkommen hinzuzurechnen, wenn es schon vor der Trennung erzielt wurde, denn es kann keinen Unterschied machen, ob die Erwerbstätigkeit schon vor oder nach der Trennung an die Stelle der Familienarbeit getreten ist. Ob und in welcher Höhe diese Einkünfte dann auf Seiten der Ehefrau bedarfsmindernd zu berücksichtigen sind, bedarf einer umfassenden Billigkeitsabwägung in entspr. Anwendung von § 1577 Abs. 2 BGB.
Normenkette
BGB §§ 1361, 1577 Abs. 2, § 1601; ZPO § 286
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 25 F 4953/00) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des AG Pankow/Weißensee vom 23.8.2001 – 25 F 4953/00 – teilweise geändert und der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt für die Geltendmachung von Kindesunterhaltsrückständen für die Zeit von Januar – August 2000 i.H.v. 457 DM für C. und i.H.v. 1.553 DM für J. sowie für Trennungsunterhalt i.H.v. insgesamt 8.912 DM für die Zeit von Januar 2000 – Mai 2001 i.H.v. 415 DM ab 1.6.2001 und i.H.v. jeweils 284 DM ab 1.7.2001.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) und im Wesentlichen begründet.
Die Klägerin hat schlüssig den Unterhaltsbedarf für sich und die Kinder in der aus der Beschlussformel ersichtlichen Höhe dargelegt. Maßgebend für die Bedarfsberechnung des Kindesunterhalts (§§ 1601 ff. BGB) ist das Einkommen des Beklagten und für den Trennungsunterhalt (§ 1361 Abs. 1 BGB) das Einkommen beider Parteien:
Auf Seiten des Beklagten ist das in 1999 erzielte Einkommen zugrunde zu legen. Zwar wäre für die Berechnung des Unterhalts im Jahr 2000 und 2001 auch sein in diesen Jahren erzieltes Einkommen maßgebend, wenn es in der Höhe von den im Jahre 1999 erzielten Einkünften abweicht. Der Beklagte hat aber den von ihm behaupteten Einkommensrückgang von mtl. 2.000 DM brutto bisher nicht nachvollziehbar erläutert und unter Beweis gestellt. Beruft sich der Unterhaltspflichtige auf eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit wegen einer Verringerung seines Einkommens aus Erwerbstätigkeit und bestreitet der Unterhaltsberechtigte die Einkommensverringerung, muss der Verpflichtete nicht nur die Gehaltsbescheinigungen vorlegen, aus denen sich das neue Gehalt ergibt, sondern auch darlegen und beweisen, dass und mit welchem Inhalt ab wann der Arbeitsvertrag geändert worden ist. Dazu hat sich der Beklagte bisher nicht geäußert, obwohl die Klägerin bestritten hat, dass die Einkommensverringerung auf einer strukturellen Krise der Automobilbranche beruhe, sich das Einkommen der Kollegen des Beklagten in vergleichbarer Weise verringert habe und darüber hinaus behauptet hat, dass aufgrund des freundschaftlichen Verhältnisses ihres Mannes zu seinem Chef, die Verringerung des Einkommens nur „offiziell” und nicht wirtschaftlich real erfolgt sei. Aufgrund dieser Sachlage ist es zunächst Sache des Beklagten, für die von ihm behauptete Einkommensverringerung geeigneten Beweis anzutreten. Von dem Einkommen aus 1999 sind eine Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen, die hälftige Rate bei der B. Sparkasse, der Kindesunterhalt und ein Erwerbstätigenbonus von 1/7 abzuziehen. Der Abzug weiterer Verbindlichkeiten kommt nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand aus den vom AG in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Gründen nicht in Betracht, denn der Beklagte hat seinen Sachvortrag dazu im Beschwerdeverfahren bisher nicht ergänzt.
Auf Seiten der Klägerin sind die Einkünfte aus Erwerbseinkommen in voller Höhe abzgl. einer Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen, der Hälfte der Kreditrate bei der Sparkasse sowie eines Erwerbstätigenbonus von 1/7 zu berücksichtigen. Die Hinzurechnung der gesamten Einkünfte der Klägerin aus Erwerbstätigkeit zum bedarfsbestimmenden Einkommen erfolgt unabhängig von der Klärung der Frage, ob es sich insoweit um Einkünfte aus zumutbarer oder unzumutbarer Erwerbstätigkeit gehandelt hat (so OLG München v. 15.3.2000 – 12 UF 1742/99, OLGReport München 2000, 1243 = NJW-RR 2000, 1243 [1244]; Büttner, NJW 2001, 3244 ff.). Diese Handhabung stellt eine Abweichung von der bisher üblichen Rspr. des BGH dar, nach der Einkünfte aus Erwerbstätigkeit dann nicht dem bedarfsbestimmenden eheprägenden Einkommen hinzuzurechnen waren, wenn die Einkünfte aus einer Tätigkeit stammten, die wegen der Kindesbetreuung überobligatorisch war und jederzeit ohne rechtliche Nachteile von dem Ehegatten aufgegeben werden durft...