Leitsatz (amtlich)
1. Der Nachlaßpfleger ist bei Überschuldung des Nachlasses nicht schon im Interesse der Nachlaßgläubiger zur Stellung des Konkursantrages verpflichtet.
2. Die Stellung des Konkursantrages durch den Nachlaßpfleger kann jedoch im Interesse der vertretenen unbekannten Erben geboten sein, insbesondere wenn sonst Nachteile aus einem Rechtsstreit mit einem Nachlaßgläubiger drohen. Es liegt regelmäßig nicht im Interesse der Erben, wenn der Nachlaßpfleger stattdessen einen Prozeßvergleich schließt, nach dessen Ergebnis die Überschuldung zwar gemindert, aber nicht beseitigt würde.
Normenkette
BGB §§ 1960, 1978, 1980, 1985, 1822 Nr. 12; KO § 217
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 15.08.1974; Aktenzeichen 83 T 316/74) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 160/60 VI 185/73 L) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird bei einem Wert von 3.000,– DM zurückgewiesen.
Gründe
Die durch den Nachlaßpfleger vertretenen unbekannten Erben sind von der Firma F. M. GmbH LB S. …, in einem beim Landgericht Berlin anhängigen Rechtsstreit – Aktenzeichen 14 O 547/73 – auf Herausgabe einer Dia-Abtastanlage in Anspruch genommen worden. Der Pfleger, dessen Wirkungskreis in der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Ermittlung der Erben besteht, hat in dem Rechtsstreit am 29. April, 1974 einen Vergleich geschlossen, wonach die Erben die Maschine an die Klägerin zu Eigentum herausgeben und die Klägerin dafür auf die in Höhe von 467.577,40 DM geltend gemachten Forderungen verzichtet. Dem Antrag des Nachlaßpflegers auf nachlaßgerichtliche Genehmigung dieses Vergleichs hat das Amtsgericht Schöneberg durch richterlichen Beschluß vom 27. Juli 1974 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der unbekannten Erben ist mit Beschluß der Zivilkammer 83 des Landgerichts Berlin vom 15. August 1974 zurückgewiesen worden. Mit der namens der unbekannten Erben eingelegten weiteren Beschwerde verfolgt der Pfleger den Genehmigungsantrag weiter.
Die formgerecht eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27, 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 20 FGG). Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Die Entscheidung des Landgerichts, durch die die zulässige Beschwerde der unbekannten Erben gegen den Beschluß des Amtsgerichts zurückgewiesen worden ist, stellt sich im Ergebnis als richtig dar (§ 27 Satz 2 FGG in Verbindung mit § 563 ZPO).
1. Das Landgericht geht in Übereinstimmung mit den Darlegungen des Nachlaßpflegers über den Vermögensstand des Nachlasses davon aus, daß auch nach Wirksamwerden des Vergleichs den verbleibenden Passiven von 49.767,67 DM nur Aktiven von 43.226,96 DM gegenüberstünden, der Nachlaß also auch weiterhin überschuldet wäre. Für die Genehmigung eines Vergleichs mit einem einzelnen Gläubiger sei bei dieser Sachlage kein Raum. Solange nicht die Zustimmung aller Nachlaßgläubiger zu dieser Regelung vorliege, sei der Nachlaßpfleger bei Überschuldung des Nachlasses verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Nachlaßkonkurses zu stellen. Das ergebe sich aus der gebotenen analogen Anwendung der für den endgültigen Erben und den Nachlaßverwalter geltenden zwingenden Bestimmungen der §§ 1980, 1985 Abs. 2 BGB. Dem Sinn dieser Regelung, die konkursmäßige Befriedigung der Gläubiger eines überschuldeten Nachlasses unter Einhaltung bestimmter Verfahrensgarantien sicherzustellen, laufe die Befriedigung von Gläubigern durch den Nachlaßpfleger in gleicherweise zuwider, wie die Befriedigung durch Geschäfte des endgültigen Erben oder des Nachlaßverwalters. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß den Erben vor Annahme der Erbschaft nach einhelliger Ansicht keine Konkursantragspflicht treffe. Der vorläufige Erbe könne, anders als der Nachlaßpfleger, vor Annahme der Erbschaft keine weitreichenden Nachlaßgeschäfte führen, ohne konkludent die Annahme der Erbschaft zu erklären und damit die Konkursantragspflicht auszulösen.
2. Den Beschwerdeführern ist einzuräumen, daß die tragende Erwägung des Landgerichts, der Nachlaßpfleger sei gegenüber den Nachlaßgläubigern wegen der vorhandenen Nachlaßüberschuldung zum Konkursantrag verpflichtet, rechtlich nicht haltbar ist und auch durch die in dem angefochtenen Beschluß angeführten Literaturstellen nicht gedeckt wird. Der im Schrifttum bestehende Streit, ob eine direkte Haftung des Nachlaßpflegers gegenüber den Nachlaßgläubigern in Analogie zu § 1985 BGB anzunehmen sei (vgl. insbesondere Staudinger, BGB, 11. Aufl., § 1960 Rdn. 57 m. Nachw.; ferner Lange, Lehrbuch des Erbrechts, S. 488 Fußn. 2; von Lübtow, Erbrecht, S. 759), oder ob die Gläubigerinteressen schon dadurch ausreichend gewahrt sind, daß zum Nachlaß, mit dem die unbekannten Erben gemäß § 278 BGB für Maßnahmen des Pflegers haften, auch etwaige Schadensersatzansprüche der Erben gegen den Pfleger gehören (vgl. BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1960 Rdn. 34; Kipp-Coing, Erbrecht, 12. Aufl., S. 549; Möhring, Vermögensverwaltung, 5. Aufl., S. 263 f.), ist für die Frage einer Konkursantragspflicht des Pflegers gegenüber den Gläubigern unerheblich. Die Bef...