Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslagenentscheidung bei Beschränkung der Berufung im Termin. Rechtsmittelteilerfolg und Billigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse bei vollem Erfolg eines auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkten Rechtsmittels ist in § 473 Abs. 3 StPO geregelt. Diese Vorschrift gilt unmittelbar nur, wenn die Beschränkung des Rechtsmittels bereits bei seiner Einlegung oder Begründung erklärt worden ist. Auf die erst nachträglich erklärte Beschränkung eines Rechtsmittels findet sie mit der Maßgabe Anwendung, dass sich die Beschränkung als Teilrücknahme darstellt, so dass bei vollem Erfolg des beschränkten Rechtsmittels der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten nur mit Ausnahme derjenigen auferlegt werden, die bei einer alsbald nach Urteilszustellung erklärten Rechtsmittelbeschränkung vermeidbar gewesen wären.
2. Die Anwendung der Billigkeitsregelung des § 473 Abs. 4 StPO setzt voraus, dass der Angeklagte das Rechtsmittel dann nicht eingelegt hätte, wenn schon das Urteil des ersten Rechtszuges so gelautet hätte wie das des Rechtsmittelgerichts.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 09.11.1999; Aktenzeichen (566) 71 Js 1833/96 Ls Ns (125/99)) |
Gründe
Das Schöffengericht Tiergarten in Berlin hat die Angeklagte am 5. Juli 1999 wegen Betruges in 19 Fällen und wegen Urkundenfälschung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Auf die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht - bei gleichbleibendem Schuldspruch - die Gesamtfreiheitsstrafe auf zwei Jahre und sechs Monate herabgesetzt und die Kosten des Berufungsverfahrens und die der Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Landeskasse Berlin auferlegt. Die gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Das Rechtsmittel ist nach §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 304 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 2 StPO zulässig. Unbeachtlich ist, daß die Beschwerdeführerin zu der Frage, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- DM übersteigt, keine Ausführungen gemacht hat. Denn von einer Überschreitung der Wertgrenze ist im Hinblick auf das Ziel der Beschwerde, die gesamten Kosten und notwendigen Auslagen des Berufungsverfahrens der Angeklagten aufzuerlegen, ohne weiteres auszugehen.
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Das Landgericht stützt die angefochtene Entscheidung darauf, daß die Berufung hinsichtlich des erstrebten Zieles in vollem Umfang erfolgreich gewesen sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Voraussetzungen für eine Überbürdung der Kosten und Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 3 oder Abs. 4 StPO liegen nicht vor. Vielmehr greift § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO ein, wonach die Kosten derjenige zu tragen hat, der ein Rechtsmittel erfolglos eingelegt hat.
a) Die Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse bei vollem Erfolg eines auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkten Rechtsmittels ist in § 473 Abs. 3 StPO geregelt. Diese Vorschrift gilt unmittelbar nur, wenn die Beschränkung des Rechtsmittels bereits bei seiner Einlegung oder Begründung erklärt worden ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl., § 473 Rdn. 20 m.N.). Auf die erst nachträglich erklärte Beschränkung eines Rechtsmittels findet sie mit der Maßgabe Anwendung, daß sich die Beschränkung als Teilrücknahme darstellt, so daß bei vollem Erfolg des beschränkten Rechtsmittels der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten nur mit Ausnahme derjenigen auferlegt werden, die bei einer alsbald nach Urteilszustellung erklärten Rechtsmittelbeschränkung vermeidbar gewesen wären (vgl. u.a. KG, Beschluß vom 25. November 1999 - 5 Ws 693/99 - m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 12. Juli 1999 eine unbeschränkte Berufung eingelegt. Eine Berufungsbegründung, der sich eine Beschränkung entnehmen läßt, ist nicht erfolgt. Eine unmittelbare Anwendung von § 473 Abs. 3 StPO scheidet daher aus. Aber auch die oben genannte modifizierte Anwendung kommt nicht in Betracht. Denn die Berufung ist auch nachträglich nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Der Verteidiger behauptet zwar, er habe in seinem Schlußvortrag in der Hauptverhandlung ausdrücklich eine Beschränkung erklärt. Die Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 9. November 1999 bietet hierfür aber keinen Anhaltspunkt. Die dort niedergelegte Formulierung des Schlußantrags "Herabsetzung der Strafe" ist nicht als nachträgliche Berufungsbeschränkung im Sinne einer Teilrücknahme auszulegen (vgl. OLG Hamm JMBlNW 1957, 58; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO, § 318 Rdn. 3). Die Urteilsgründe weisen aus, daß auch das Landgericht den Schlußantrag nicht in diesem Sinne verstanden hat. Denn es hat die Schuldfeststellungen des Schöffengerichts nicht als bindend angesehen, was notwendige Folge einer wirksamen Beschränkung auf das Strafmaß gewesen wäre, sondern auch zum Schuldspruch eigene - mit dem Urteil erster Instanz allerdings übereinstimme...