Leitsatz (amtlich)
Eine versäumte Handlung im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO ist nur dann rechtzeitig nachgeholt, wenn sie der erforderlichen Form genügt.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 12.01.2021; Aktenzeichen (343 OWi) 3034 Js-OWi 15934/20 (1129/20)) |
Tenor
1. Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Frist zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. Januar 2021 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. Februar 2021 wird verworfen.
Gründe
I.
Unter dem 14. Mai 2020 hat der Polizeipräsident in Berlin gegen den Betroffenen wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes einen Bußgeldbescheid erlassen, gegen den der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hat. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2020, dem Betroffenen am 15. Dezember 2020 zugestellt, hat ihm das Amtsgericht die Absicht mitgeteilt, im schriftlichen Verfahren nach § 72 OWiG zu entscheiden, sofern er dem nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung widerspricht. Da der Betroffene dieser Verfahrensweise nicht widersprochen hat, hat das Amtsgericht Tiergarten den Betroffenen mit Beschluss nach § 72 Abs. 1 Satz 1 OWiG vom 12. Januar 2021 wegen unzulässiger Nutzung eines elektronischen Kommunikationsgeräts zu einer Geldbuße von 100,- Euro verurteilt. Gegen diesen ihm am 20. Januar 2021 zugstellten Beschluss hat der Verteidiger des Betroffenen mit Schriftsatz vom 26. Januar 2021, am selben Tag bei Gericht eingegangen, ein als "Einspruch" bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, dass er weder begründet noch mit Anträgen versehen hat. Mit Beschluss vom 24. Februar 2021 hat das Amtsgericht das als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ausgelegte Rechtsmittel als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, es seien bis zum Abschluss der sich nach §§ 345, 43 StPO bestimmenden Frist keine Beschwerdeanträge bei Gericht eingegangen. Mit Schreiben vom 28. Februar 2021, am 2. März 2021 bei Gericht eingegangen, hat der Betroffenen einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, er habe von der Existenz des Beschlusses vom 24. Februar 2021 wegen seiner Covid 19-Erkrankung lediglich über seine Frau erfahren. Der ihm gemachte Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit sei unzutreffend. Zudem sei die Zustellung des Bußgeldbescheides nicht binnen drei Monaten erfolgt.
II.
1. Der sich offenkundig auf die versäumte Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde beziehende Wiedereinsetzungsantrag ist nach Maßgabe von §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 342 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 2 StPO bereits unzulässig. Denn ein Wiedereinsetzungsantrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller die versäumte Handlung - hier die Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde - binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses nachholt, woran es im vorliegenden Fall fehlt. Zwar ist der Vortrag des Betroffenen in seiner Gesamtheit dahingehend auszulegen, dass er die Aufhebung der Entscheidung vom 12. Januar 2021 beantragt. Auch war bei Eingang des Schreibens des Betroffenen vom 28. Februar 2021 (am 2. März 2021) die Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 StPO noch nicht abgelaufen.
Eine versäumte Handlung gilt jedoch nur dann als nachgeholt, wenn sie den gesetzlichen Formerfordernissen entspricht (vgl. BGH NJW 1997, 1516 und bei Miebach in NStZ 1989, 15; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 45 Rdn. 11 m.w.N.; Maul in KK-StPO 8. Aufl., § 45 Rdn. 9 m.w.N.). Der Antrag des Betroffenen genügt nicht den Formerfordernissen von §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 345 Abs. 2 StPO, da der Betroffene einen wirksamen Rechtsbeschwerdeantrag nur durch eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts stellen kann. Dies ist bis zum Ablauf der nach §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 345 Abs. 1 StPO (beginnend ab Ablauf der Rechtsmittelfrist) einen Monat betragenden Begründungsfrist jedoch nicht geschehen; bis heute liegt kein der Form von § 345 Abs. 2 StPO entsprechender Antrag vor.
2. Der statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere rechtzeitig erhobene Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist unbegründet. Denn das Amtsgericht hat den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtsfehlerfrei als unzulässig verworfen.
a) Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist bereits unstatthaft. Gegen Beschlüsse nach § 72 Abs. 1 Satz 1 OWiG ist zwar nach § 79 Abs. 1 Satz 1 OWiG die Rechtsbeschwerde zulässig, sofern einer der in § 79 Abs. 1 Satz 1 OWiG aufgezählten Zulässigkeitsgründe gegeben ist. Liegt - wie hier - keiner der dort genannten Gründe vor, ist der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG nur gegen Urteile statthaft, nicht aber gegen auf der Grund...