Leitsatz (amtlich)
Das Recht zum Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages nach § 495 BGB setzt auch nach Einführung des § 495 Abs. 3 BGB durch das VerbrKrRL-UG v. 29.07.2009 (seit der Neufassung zum 13.06.2014: § 495 Abs. 2 BGB) die Neugewährung eines Kapitalnutzungsrechts voraus.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.09.2014; Aktenzeichen 37 O 121/14) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.09.2014 verkündete Urteil der 37. Zivilkammer des LG Berlin - 12 O 309/14 - wird zurückzuweisen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil des LG ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 15.9.2014 verkündete Urteil der 37. Zivilkammer des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Unstreitig ist nach dem Vorbringen der Parteien in dem Berufungsverfahren darüber hinaus Folgendes:
Am 10.5.2013 unterzeichnete der Kläger Vereinbarungen mit der Beklagten zu der Zahlung unter anderem einer Vorfälligkeitsentschädigung (Anlage B3, Bl. 92ff d.A.).
Mit Telefaxschreiben vom 3.6.2013, zeitgleich mit der Zahlung der sich aus diesen Vereinbarungen ergebenden Beträge, ließ der Kläger der Beklagten durch den Notar mitteilen, dass die Ablösebeträge noch anwaltlich geprüft würden, Anlage K10.
Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor:
1. Der Abschluss der Vereinbarungen vom 10.5.2013 zur Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung (Anlage B3) stünde dem Rückforderungsanspruch nicht entgegen, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt sein Recht zum Widerruf der Vereinbarungen zur Konditionenanpassung vom 9.6.2011 (Anlagen K1-K3) mangels Belehrung durch die Beklagte nicht kannte. Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht verwirkt, da der Kläger zeitgleich mit der Zahlung durch den Notar mit Telefax vom 3.6.2013 darauf hingewiesen hat, dass die Ablösebeträge noch anwaltlich geprüft werden würden (Anlage K10).
2. Die Vereinbarungen zur Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen seien zudem widerrufbar, da sie einen Verbraucherdarlehensvertrag darstellten in der Form einer Rückzahlungsvereinbarung im Sinne des § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB, die einen Darlehensvertrag ersetzt. Die Ausnahme des § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB von dem Widerrufsrecht sei aber nicht gegeben, da die übrigen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Vereinbarungen seien entsprechend auch nach § 494 BGB formnichtig.
3. Die Vereinbarungen zur Konditionenanpassung vom 9.6.2011 seien widerruflich, da § 495 BGB in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung die Neugewährung eines Kapitalnutzungsrechts nicht mehr voraussetze. Dies folge aus der Ausnahmevorschrift des § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB, die eine Ausnahme vom Widerrufsrecht für bestimmte vertragliche Änderungen von Darlehensvertragskonditionen vorsehe, was überflüssig wäre, wenn vertragliche Änderungen von Darlehensvertragskonditionen grundsätzlich nicht widerruflich wären. § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB gehe in dem Fall einer bloßen Ergänzung durch eine Rückzahlungsvereinbarung von dem Fortbestand des ursprünglichen Kapitalnutzungsrechts aus. § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB gehe auch nach der Gesetzesbegründung nur davon aus, dass der bestehende Darlehensvertrag kündbar ist, nicht aber, dass er tatsächlich auch beendet wurde oder im Rahmen der Umschuldung beendet wird. Die Annahme, dass die Bank dem Kunden in den Fällen des § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB statt der Kündigung immer ein neues bzw. weiteres Kapitalnutzungsrecht einräume, finde weder in dem Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung eine Stütze. Rückzahlungsvereinbarungen enthielten so gut wie nie ein neues Kapitalnutzungsrecht. Nach Einführung des § 495 Abs. 3 Nr. 1 BGB sei der Begriff des Verbraucherdarlehensvertrages im Sinne des § 495 BGB daher nicht mehr allein auf die Definition des § 488 BGB eingeengt zu verstehen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Berlin vom 15.9.2014 - 37 O 121/14 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 33.102,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.1.2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und trägt weiter vor:
1. Durch die Rückzahlungsvereinbarungen vom 10.5.2013 sei das Vertragsverhältnis beendet und damit auch jedes etwaige Widerrufsrecht entfallen.
Etwaige Ansprüche auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen seien zudem verwirkt, da sich die Beklagte spätestens mit Abschluss der Rückzahlungsvereinbarungen darauf eingerichtet habe, dass Einwände gegen den Bestand des Darlehensvertrages nicht mehr geltend gemacht werden, und hierzu bestehende Rückstellungen aufgelöst habe. Das Berufen auf eine - vermeintliche - formale Rechtsp...