Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für einen manipulierten Unfall bei nächtlicher Kollision im fließenden Verkehr auf der Stadtautobahn, wobei das "Täterfahrzeug" den Fahrstreifen nach links wechselt und das "Opferfahrzeug" nach links gegen die Leitplanke schiebt.

Für die erforderliche Überzeugungsbildung über die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls kommt es nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen; entscheidend ist vielmehr stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen.

Es ist auch ohne Bedeutung, wenn sich für einzelne Indizien - isoliert betrachtet - eine plausible Erklärung finden lässt oder die Umstände jeweils für sich allein nicht den Schluss auf ein gestelltes Ereignis nahe legen.

Als Indizien für die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Geschehens sind insbesondere Art und Zustand der beteiligten Fahrzeuge (hier: "Opferfahrzeug", vorgeschädigter BMW X 5 mit einer Laufleistung von 82.501 km), Hergang des "Unfalls" sowie das nachträgliche Verhalten der Beteiligten von Bedeutung (BMW wurde kurz nach dem Geschehen unrepariert verkauft; Verhinderung einer Unfallrekonstruktion; Verschweigen der aus dem Geschehen verfolgten Ansprüche i.H.v. ca. 28.000 EUR sowie des erhaltenen Kaufpreises von 13.000 EUR im Vermögensverzeichnis einer etwa 4 Wochen nach dem Vorfall abgegebenen eidesstattlichen Versicherung).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 42 O 72/09)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche nach einer Kollision von zwei Kfz geltend.

Der Kläger befuhr am 25.5.2008 gegen 2:30 Uhr in Berlin-Reinickendorf die Bundesautobahn 111/Kurt-Schumacher-Damm auf der Höhe der Behelfsbrücke in südlicher Richtung mit einem BMW X5. Dort kam es zu einer Kollision mit dem vom Beklagten zu 1) geführten Kfz der Marke Ford, das auf dem Fahrstreifen rechts neben dem Kläger fuhr und bei der Beklagten zu 2) gegen Haftpflicht versichert ist. Das klägerische Kfz wurde durch die Kollision mit dem Kfz des Beklagten zu 1) links gegen die Leitplanke geschoben und beidseitig beschädigt.

Der vom Kläger beauftragte Sachverständige schätzte die Nettoreparaturkosten für den BMW auf 28.585,23 EUR und ermittelten einen Nettowiederbeschaffungswert von 39.984 EUR und einen Restwert i.H.v. 13.000 EUR.

Am 23.6.2008 gab der Kläger eine eidesstattliche Versicherung ab.

Der Kläger hat behauptet, er sei Eigentümer des BMW X5 gewesen. Zur Kollision sei es gekommen, als der Beklagte auf seinen, des Klägers, Fahrstreifen gewechselt sei, ohne ihn zu beachten. Den unreparierten BMW habe er am 15.6.2008 für 13.000 EUR verkauft.

Der Kläger begehrt klageweise Zahlung i.H.v. insgesamt 28.278 EUR. Die Summe setzt sich zusammen aus der Differenz des Nettowiederbeschaffungswertes und des Restwerts, das sind 26.984 EUR, Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 1.274 EUR und einer Kostenpauschale i.H.v. 20 EUR. Ferner erstrebt er Freistellung von den Kosten des Sachverständigen i.H.v. 2.403,84 EUR und von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.319,81 EUR.

Die Beklagten haben behauptet, es habe sich bei dem Verkehrsunfall nicht um ein unfreiwilliges Ereignis gehandelt. Nicht der Beklagte zu 1) habe den Fahrstreifen gewechselt, sondern der Kläger habe in der Rechtskurve die Spur des Beklagten zu 1) geschnitten. Die Beklagten weisen auf Vorschäden an dem klägerischen Kfz hin.

Das LG hat mit Urteil vom 22.9.2009 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Der geltend gemachten Anspruch stehe dem Kläger nicht zur. Für das Eigentum an dem BMW und damit die Aktivlegitimation des Klägers streite zwar die Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB. Nach Überzeugung des LG handle es sich aber um einen fingierten oder provozierten Unfall. Der Geschädigte habe zwar nur den äußeren Tatbestand eines Unfalls darzutun und zu beweisen. Demgegenüber hätten der Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer darzulegen und zu beweisen, dass es sich bei dem Schadensereignis um einen fingierten Unfall gehandelt habe. Hierzu genüge der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten. Für ein unredliches Handeln des Klägers sprächen folgende Indizien: Bei dem Klägerfahrzeug handle es sich um ein Fahrzeug gehobener Preisklasse mit nicht unerheblicher Laufleistung. Das Ereignis habe nachts stattgefunden, als mit neutralen Zeugen nicht zu rechnen gewesen sei. Der Polizei sei ein eindeutiger Sachverhalt präsentiert worden, der ein alleiniges Verschulden des Beklagten zu 1) nahe gelegt habe. Der Schaden sei auf Gutachterbasis geltend gemacht und das Fahrzeug unrepariert verkauft worden, so dass es einer Nachbesichtigung nicht mehr zugänglich gewesen sei. Das klägerische Fahrzeug sei teilweise vorgeschädigt gewesen. Unter diesen Umständen hätte der Kläg...

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