Leitsatz (amtlich)

1) Ein Liquidator für eine bergrechtliche Gewerkschaft ist nach § 164 BBergG von Amts wegen zu bestellen, wenn die Gewerkschaft keinen Liquidator hat. Eine Anwendung des § 273 Abs. 4 AktG ist ausgeschlossen.

2) Fehlt es an einem Satzungssitz der Gewerkschaft ist eine Zuständigkeit zur Liquidatorenbestellung des Gerichts anzunehmen, in dessen Bezirk die Verwaltung der Gewerkschaft geführt wird.

3) Eine Abweichung vom Regelwert des § 67 Abs. 1 GNotKG nach § 67 Abs. 3 GNotKG ist jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn grundsätzlich keine beschränkte Bestellung in Betracht kommt und das Bestellungsverfahren wegen der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten besonders umfangreich war.

 

Normenkette

AktG § 273 Abs. 4; BBergG § 164; GNotKG § 67

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 99 AR 11796/19)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 31. August 2020 sowie das Verfahren aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Charlottenburg zurückverwiesen.

2. Die Festsetzung des Geschäftswertes im Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 31. August 2020 wird abgeändert und der Geschäftswert des erstinstanzlichen Verfahrens auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit Schreiben vom 27. November 2019 beantragte der Beteiligte, seinen Verfahrensbevollmächtigten zum Nachtragsliquidator für die Gewerkschaft C...-A... (nachfolgend auch: "GCA"), eine bergrechtliche Gewerkschaft nach dem Preußischen Allgemeinen Berggesetz (nachfolgend auch: ABG), die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Gleiwitz in Oberschlesien ansässig war, zu bestellen. Nach einer notariellen Bescheinigung vom 16. August 1944 war die GCA mit 380 Kuxen an der S... S... gewerkschaft (nachfolgend auch: "SSG") beteiligt. Für die "unbekannten Mitglieder bzw. Rechtsnachfolger der SSG" ist beim Amtsgericht Tiergarten ein Betrag in Höhe von 68.035,26 EUR hinterlegt.

Nach der Behauptung des Beteiligten hielt sein Großvater (nachfolgend auch nur: "Großvater") Anteile an der SSG. An der GCA sei sein Großvater mittelbar als Alleingewerken der Gewerkschaft C... beteiligt, die wiederum zusammen mit einer anderen Gesellschaft, an der wiederum die Gewerkschaft C... beteiligt ist, Gewerken der SSG ist. Sein Großvater sei dabei von seinem Vater beerbt worden. Er sei zunächst Vorerbe nach seinem Vater und - nachdem der als Nacherbe vorgesehene Bruder die Erbschaft ausgeschlagen habe - Vollerbe geworden. Die Hinterlegungsstelle ist zur Auskehrung des hinterlegten Betrages nur an alle Mitglieder der SSG gemeinschaftlich bereit.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2020 hat das Amtsgericht mitgeteilt, dass dem Antrag nicht stattgegeben werden könne, weil das berechtigte Interesse des Beteiligten nicht ausreichend belegt sei. Mit den eingereichten Unterlagen könne eine Berechtigung des Großvaters nicht ausreichend nachgewiesen werden. Insbesondere fehlten Belege über die Weiterentwicklung dessen Beteiligungen an der GCA in der Zeit nach 1944. Auch weiter eingereichte Unterlagen und Hinweise auf den Zusammenhang der vorgelegten und der sich daraus ergebenden Umstände haben das Amtsgericht nicht umstimmen können. Aus diesem Grund hat es den Antrag unter Festsetzung eines Geschäftswertes in Höhe von 68.000,00 EUR mit Beschluss vom 31. August 2020 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, mit der er sich zugleich gegen die Festsetzung des Geschäftswertes durch das Amtsgericht wendet. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. 1. Die Beschwerde des Beteiligten ist nach § 58 Abs. 1 FamFG, der hier wie das gesamte FamFG wegen des erst im Jahr 2019 durch Antrag eingeleiteten Verfahrens gem. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG Anwendung findet, statthaft und auch im Übrigen zulässig.

a) Die Monatsfrist nach § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt, ebenso die notwendige Form nach 64 Abs. 2 FamFG. Der notwendige Beschwerdewert nach § 61 Abs. 1 FamFG ist angesichts des hinterlegten Betrages trotz der Bedenken des Beteiligten gegen den festgesetzten Geschäftswert erreicht.

b) Der Beteiligte ist auch beschwerdebefugt.

aa) Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht demjenigen die Beschwerde zu, der durch einen gerichtlichen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Es muss sich um die unmittelbare Beeinträchtigung eines eigenen materiellen Rechts handeln (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24. April 2012 - II ZB 8/10 -, Rn. 15, juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

bb) Nach Überzeugung des Senates ergibt sich aus der vom Beteiligten in Kopie vorgelegten "notarischen Bescheinigung" vom 16. August 1944 (UR-Nr. 261/1944 des Notars Hxxx in Gleiwitz, Bl. 29 d. A.), dass der Großvater mit 240 von 1.000 Kuxen Gewerken der SSG war und die GCA mit 380 Kuxen. Diese Bescheinigung ist nach Einsicht in das Gewerkenbuch abgegeben worden.

(1) Nach § 106 ABG werden die Gewerken im Gewerkenbuch verzeichnet; derjenige, der da...

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