Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.05.2022; Aktenzeichen 46 O 136/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 10.05.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, Az. 46 O 136/21, gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28.09.2023.
Gründe
I. Der Senat weist die Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung hat im Sinne von § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, und der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Darüber hinaus erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ZPO). Hinweis und Fristsetzung beruhen auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
1. Die zum Unfallzeitpunkt 80 Jahre alte Klägerin bestieg am 16. März 2020 gegen 8.30 Uhr an der Haltestelle Sterkrader Straße einen Linienbus der Beklagten zu 2), welcher von dem Beklagten zu 1) gefahren wurde. Beim Anfahren des Busses stürzte die Klägerin, die sich zu diesem Zeitpunkt nicht festgehalten hatte, und erlitt schwere Verletzungen.
Das Landgericht Berlin hat die auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie auf Feststellung der Verpflichtung, jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass dem Beklagten zu 1) kein Verschulden zur Last falle und deswegen Ansprüche aus § 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB ausscheiden würden. Es könne nicht festgestellt werden, dass das Anfahren des Beklagten zu 1) sorgfaltswidrig erfolgt sei. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte zu 1) ruckartig angefahren sei. Darüber hinaus sei anerkannt, dass der Fahrgast eines Linienbusses in aller Regel sich selbst überlassen sei und nicht damit rechnen könne, dass der Fahrer sich um ihn kümmere bzw. sich vergewissere, ob sämtliche Fahrgäste sitzen würden oder sich anderweitig Halt verschafft hätten. Jeder Fahrgast müsse selbst Sorge dafür tragen, dass er nicht zu Fall komme. Die Klägerin habe sich unstreitig im Zeitpunkt des Anfahrens des Busses nicht festgehalten und sei deswegen ihrer Verpflichtung, sich Halt zu verschaffen, nicht nachgekommen.
Weiter hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte zu 2) weder wegen einer Schlechterfüllung des zwischen ihr und der Klägerin abgeschlossenen Personenbeförderungsvertrages nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB noch aus einer Betriebsgefahr ihres Busses gemäß § 7 StVG hafte. Ein schuldhafter Pflichtverstoß des Beklagten zu 1), für den die Beklagte zu 2) nach § 278 Satz 1 BGB einzustehen hätte, sei nicht nachgewiesen. Eine Haftung nach § 7 StVG scheide aus, da die zu berücksichtigende Betriebsgefahr des Busses gemäß § 254 BGB unter dem Gesichtspunkt des schwerwiegenden Mitverschuldens des Fahrgastes vollständig zurücktrete, wenn dieser sich nicht ausreichend festgehalten habe. Der sich aus § 4 Abs. 3 Satz 5 der Verordnung über die allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Omnibusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen ergebenden Verpflichtung, sich stets einen festen Halt zu verschaffen, sei die Klägerin unstreitig nicht nachgekommen. Es spreche deswegen der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Sturz auf einer Unachtsamkeit des Fahrgastes beruhe. Dieser Annahme entgegenstehende Umstände seien nicht gegeben. Mangels Hauptanspruchs liege auch kein Anspruch auf den Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren und die Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden vor.
2. Die landgerichtliche Entscheidung ist auch unter Berücksichtigung der Berufungsangriffe zutreffend. Die Voraussetzungen des § 513 Abs. 1 ZPO sind nicht gegeben, weil die Entscheidung des Landgerichts Berlin nicht auf einer Rechtsverletzung beruht und die der Entscheidung des Senats zugrunde zu legenden Tatsachen keine andere Entscheidung rechtfertigen.
Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sind einschließlich des Ergebnisses der Beweiswürdigung zu Grunde zu legen, weil keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist das Landgericht überzeugend zu der Einschätzung gelangt, dass der Beklagte zu 1) keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat, weshalb offen bleiben kann, ob eine Haftung nach Art. 34 GG ausscheidet, weil er haftungsrechtlich als Beamter anzusehen ist, und dass die Beklagte zu 2) weder wegen einer Schlechterfüllung des zwischen ihr und der Klägerin abgeschlossenen Personenbeförderungsvertrages nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB noch aus einer Betriebsge...