Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 90 O 64/15) |
Nachgehend
Tenor
Die Erinnerung der Klägerin vom ... gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom ... wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin hat erstinstanzlich ein Zahlungsurteil erstritten, das gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist. Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt; das Berufungsverfahren ist weiterhin anhängig.
Mit Schriftsatz vom ... hat die Klägerin um Ausstellung einer Bescheinigung nach Art. 53 der EU-Verordnung Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO 2012) gebeten. Die in dem Urteil angeordnete Sicherheitsleistung habe sie bisher nicht geleistet.
Mit Beschluss vom ... hat die Rechtspflegerin den Antrag abgelehnt. Es könne nicht bestätigt werden, dass das Urteil in Deutschland ohne weitere Bedingungen vollstreckbar sei, weil es nur gegen Sicherheitsleistung vollstreckbar sei, die Frage der Leistung der Sicherheit auch nur durch das Vollstreckungsorgan - also nicht durch das Prozessgericht, an das der Antrag gerichtet wurde - geprüft werde und die Klägerin überdies ohnehin mitgeteilt habe, dass die Sicherheit nicht erbracht worden sei.
Mit Schriftsatz vom ... hat die Klägerin gegen den ihr am ... zugestellten Beschluss vom... Erinnerung eingelegt. Es sei eine Vollstreckung in Polen beabsichtigt. Das polnische Recht kenne die Stellung einer Sicherheitsleistung nicht. Stattdessen sei eine Gebühr von 2 % der zu vollstreckenden Forderung einzuzahlen, die letztlich von der Beklagten zu erstatten sei.
Mit Beschluss vom ... hat die Rechtspflegerin der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur weiteren Entscheidung vorgelegt. Der gemäß § 568 S. 1 ZPO originär zuständige Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss vom ... dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Die nach § 11 Abs. 2 RPflG zulässige Erinnerung war zurückzuweisen, weil die Entscheidung der Rechtspflegerin zu Recht ergangen ist.
Die Rechtspflegerin beim Kammergericht ist gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 RPflG und § 1110 ZPO i. V. m. §§ 724 Abs. 2, 795b ZPO für die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung nach Art. 53 EuGVVO 2012 zuständig, weil der Rechtsstreit beim Kammergericht anhängig ist.
Gemäß ihrem Art. 66 Abs. 1 findet die EuGVVO 2012 vorliegend Anwendung, weil der Rechtsstreit nach dem 10.01.2015 - nämlich mit Klageeinreichung am ... - eingeleitet worden ist. Es liegt eine in einem Mitgliedsstaat ergangene Entscheidung in einer Zivil- und Handelssache i. S. v. Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuGVVO 2012 vor.
Gemäß Art. 39 EuGVVO 2012 ist eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar ist, in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Dabei gilt nach Art. 41 EuGVVO 2012 für das Verfahren zur Vollstreckung grundsätzlich das Recht des Mitgliedstaats, in dem die Vollstreckung erfolgen soll. Zur Durchführung der Vollstreckung hat der Antragsteller der zuständigen Vollstreckungsbehörde des Vollstreckungsstaates gemäß Art. 42 Abs. 1 EuGVVO 2012 eine Ausfertigung der Entscheidung und die nach Art. 53 EuGVVO 2012 ausgestellte Bescheinigung vorzulegen, mit der das Ursprungsgericht auf Antrag bestätigt, dass die Entscheidung vollstreckbar ist.
Die Rechtspflegerin hat die Ausstellung der Bestätigung zu Recht abgelehnt, weil die Entscheidung nicht i. S. d. vorgenannten Normen vollstreckbar ist. Denn das Zahlungsurteil des Landgerichts ist nach deutschem Vollstreckungsrecht nur vollstreckbar, wenn die Klägerin die angeordnete Sicherheitsleistung erbracht hat. Das hat sie nach ihrem eigenen Vortrag nicht getan, so dass eine Vollstreckbarkeit des Urteils nicht bescheinigt werden kann.
Diese Frage ist allerdings umstritten. Einigkeit besteht noch insoweit, als mit Vollstreckbarkeit i. S. d. Art. 39 EuGVVO 2012 nur die abstrakte (formelle, kategorielle), nicht aber die konkrete (materielle) Vollstreckbarkeit gemeint ist. Es kommt nur darauf an, ob die Entscheidung formal vollstreckbar ist, nicht aber, ob ihr konkrete Vollstreckungshindernisse entgegenstehen, ob sie also tatsächlich vollstreckt werden kann (BGH, Beschl. v. 22.01.2009 - IX ZB 42/06, Rn. 10-13). Streit besteht aber hinsichtlich der Frage, ob die Vollstreckbarkeit nur gegen Sicherheitsleistung als abstrakte oder als konkrete Vollstreckbarkeit einzuordnen ist.
Nach einer Ansicht liegt Vollstreckbarkeit i. S. d. Art. 39 EuGVVO 2012 für ein deutsches Urteil generell dann vor, wenn die Voraussetzungen der Klauselerteilung gegeben sind. Die Frage, ob die Sicherheitsleistung erbracht wurde, stelle sich in diesem Zusammenhang nicht (§ 726 Abs. 1 ZPO). Eine Prüfung erfolge erst später, zu Beginn des eigentlichen Vollstreckungsverfahrens, durch das...