Entscheidungsstichwort (Thema)
Unerwünschte E-Mail-Werbung
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 16 O 115/00) |
Tenor
1. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt bis zur Erledigungserklärung der Parteien 15.000 Euro, danach die insoweit entstandenen Kosten des Rechtsstreits.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen unerwünschter E-Mail-Werbung auf Unterlassung in Anspruch.
Der Kläger ist Rechtsanwalt in B. Er verfügt bei dem in Berlin ansässigen Internet-Service-Provider „S.” über einen E-Mail-Anschluss mit der Adresse „h.de”, die er auf seiner Kanzlei-Homepage als Kontakt-Adresse nennt.
Der Beklagte ist Herausgeber und Chefredakteur des „I.-Report”, eines Internet-Newsletters, der unter der Internetadresse „www….” aufgerufen werden kann.
Am 9.12.1999 erhielt der Kläger von dem Beklagten unter seiner oben genannten E-Mail-Adresse eine E-Mail des Beklagten:
Von: l.
An: h.
Datum: Donnerstag, 9.12.1999 13:26
Betreff: Kostenloser Zugang zum I.-REPORT
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http: …
M 8
Der Kläger behauptet, er habe nicht in Geschäftskontakt mit dem Beklagten gestanden und sich insb. nicht in dessen „Mailing”-Listen eingetragen.
Er hat beantragt, den Beklagten zur Unterlassung der Zusendung derartiger E-Mail-Schreiben zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er meint, sein Schreiben sei nicht als Werbung anzusehen. Es handele sich lediglich um eine „check-Mail”, die nur auf erfolgte Registrierung durch den Internetnutzer erfolge und mit der überprüft werde, ob das zuvor bekundete Interesse ernst gemeint sei. Im Falle keiner oder einer negativen Rückantwort werde die Registrierung sofort gelöscht. Der Kläger müsse auch aufgrund seines eigen Auftretens im Internet damit rechnen, dass er – wie geschehen – E-Mails erhalte.
Das LG hat den Beklagten antragsgemäß aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB zur Unterlassung verurteilt.
Nachdem der Beklagte im Berufungsverfahren – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl mit Rechtsbindungswillen – eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, haben die Parteien übereinstimmend mit widerstreitenden Kostenanträgen den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91a ZPO. Bis zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung war die Klage zulässig und begründet. Dem Kläger stand insoweit gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der E-Mail-Schreiben aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung zu.
1. Die E-Mail-Zusendung betrifft zum einen den Gewerbebetrieb des Klägers, i.Ü. auch dessen Persönlichkeitsrecht. Insoweit schützen §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB auch gegen unzumutbare Belästigungen.
2. Die E-Mail des Beklagten ist eine Werbesendung, denn sie preist den eigenen Informationsdienst an und zeigt Wege zu seinem Erhalt auf.
3. Der Kläger hat diese Werbesendung nicht erbeten.
Insoweit liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Beklagten, da er sich auf ein Einverständnis des Klägers als Rechtfertigungsgrund beruft.
Einen Beweis hat der Beklagte insoweit nicht angetreten. Soweit er sich allein darauf beruft, der Kläger unterhalte eine E-Mail-Adresse, führt dies – wie i.Ü. auch das Führen eines Telefonanschlusses bei unerlaubter Telefonwerbung – nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Auch auf ein allgemeines Einverständnis mit jedweder Werbezusendung kann daraus nicht geschlossen werden. Denn die E-Mail-Anschrift des Klägers dient – ohne Vorliegen besonderer, entgegenstehender Umstände – dessen konkreten geschäftlichen und privaten Interessen, nicht aber dem Absatzinteresse Dritter.
4. Mit der E-Mail-Zusendung hat der Beklagte in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers bzw. dessen Persönlichkeitsrecht rechtswidrig eingegriffen.
a) Zwar ist mit dem Speichern und Abrufen einzelner E-Mails i.d.R. nur ein geringer Arbeits- und Kostenaufwand verbunden. Werbe-E-Mails stellen aber ebenso für die Unternehmen eine extrem kostengünstige und effektive Werbemöglichkeit dar, die eine hohe Aufmerksamkeit des Angeschriebenen erzwingen kann. Deshalb ist bei ungehemmter Freigabe einer E-Mail-Werbung mit einer allgemeinen Flut derartiger Werbeschreiben zu rechnen. Die Nachahmungsgefahr ist extrem groß. Dann sind absehbar auch für den Werbeadressaten erhebliche Zeitaufwendungen erforderlich, um aus den relevanten E-Mail-Zusendungen die bloßen Werbesendungen herauszusortieren. Ebenso besteht bei der absehbaren Flut von Werbe-E-Mails trotz der hohen Speicherkapazitäten die Gefahr einer Erschöpfung derselben, so dass im Einzelfall erwünschte E-Mails nicht mehr den Adressaten erreichen können.
b) Auc...