Entscheidungsstichwort (Thema)
gewerbliche oder freiberufliche Nutzung einer Eigentumswohnung. Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist grundsätzlich zulässig, ein in der Teilungserklärung als „Wohnung” gekennzeichnetes Sondereigentum als Architekturbüro oder Steuerberaterpraxis zu nutzen.
2. Im Falle zulässiger Nutzung einer Eigentumswohnung für eine freiberufliche Praxis müssen die Wohnungseigentümer ein Praxisschild in angemessener Größe am Haus- und Wohnungseingang dulden.
Normenkette
WEG § 13 Abs. 1, § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 2
Beteiligte
sowie die in dem Beschluß des Landgerichts Berlin vom 13. Juli 1993 zu Nr. 3) bis 20) benannten Beteiligten |
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 70 II 280/92 (WEG)) |
LG Berlin (Aktenzeichen 85 T 204/92) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Verwalterin und der Beteiligten zu 3) bis 8), 10) und 11) sowie 13) bis 20) wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerdeführer haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 10.000,00 DM.
Gründe
Die im innerstädtischen Bereich von Berlin gelegen Wohnungseigentumsanlage besteht aus 15 großen Wohnungen von je 6 bis 8 Zimmern zuzüglich Nebenräumen, 3 zu Wohnzwecken ausgebauten Teileigentumseinheiten im Dachgeschoß und zahlreichen Garagen. In § 1 der Teilungserklärung sind die Sondereigentumseinheiten als „Wohnung, Teileigentum und Garagen” bezeichnet. Die Teilungserklärung enthält jedoch über die Benutzung der Eigentumswohnungen zu irgendwelchen beruflichen oder gewerblichen Zwecken keine Bestimmung. Die Gemeinschaftsordnung sieht in § 2 Nr. 10 vor, daß „… Art und Weise der Ausübung der dem Wohnungseigentümer zustehenden Rechte zur Benutzung des Sondereigentums durch eine Hausordnung …” geregelt werden kann. Eine solche Hausordnung haben die Wohnungseigentümer bisher nicht aufgestellt. – Der Antragsteller ist Eigentümer der aus 8 Zimmern bestehenden, im dritten Obergeschoß gelegenen Wohnung Nr. 8, die er vermietet hat. Ein früherer Mieter nutzte die Wohnung als Büro für eine Wirtschafts- und Unternehmensberatung. Der jetzige Mieter betreibt dort ein Architekturbüro. Der erste Mieter hatte an der Fassade ein Firmenschild anbringen lassen, das von Unbekannten entfernt worden ist. – Der Antragsteller beabsichtigt, seine Wohnung in Zukunft selbst zu bewohnen und dort außerdem eine Steuerberater- und Rechtsbeistandspraxis zu betreiben.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 16. September 1992 den im Schriftsatz vom 30. Juli 1992 ursprünglich gestellten Antrag des Antragstellers zurückgewiesen, der Verwalterin zu verbieten, Firmen- oder Praxisschilder in angemessener Größe von der Hausfassade zu entfernen. In der mündlichen Verhandlung im Erstbeschwerdeverfahren hat die Verwalterin erklärt, sie werde Praxisschilder nicht entfernen, sondern eine solche Maßnahme einer Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung vorbehalten. Daraufhin hat der Antragsteller seinen Antrag aus dem Schriftsatz vom 30. Juli 1992 für erledigt erklärt und stattdessen beantragt,
- festzustellen, daß er berechtigt ist, die Eigentumswohnung nach Maßgabe öffentlicher Rechtsvorschriften teilgewerblich öder freiberuflich zu nutzen,
ihm zu gestatten, Praxisschilder an der Außenfassade und neben der Wohnungseingangstür anzubringen,
und hilfsweise,
- festzustellen, daß er berechtigt ist, seine Eigentumswohnung teilweise als Architekturbüro oder Steuerberater und Rechtsbeistandspraxis oder in vergleichbarer Weise zu benutzen.
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 13. Juli 1993 die Antragsänderung als zulässig angesehen. Es hat auf den Hauptantrag zu 2. und den Hilfsantrag festgestellt, daß der Antragsteller berechtigt ist, die Eigentumswohnung teilweise als Architekturbüro oder Steuerberater- und Rechtsbeistandsbüro zu nutzen und durch je ein Praxisschild neben der Haus- und der Wohnungstür auf solche Nutzung hinzuweisen. Den weitergehenden Antrag hat das Landgericht zurückgewiesen. – Gegen diesen Beschluß richtet sich die Rechtsbeschwerde der Verwalterin und der Beteiligten zu 3) bis 8), 10) und 11) sowie 13) bis 20). Sie beantragen, die Anträge aus der Antragsschrift vom 30. Juli 1992 zurückzuweisen.
I.
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die Rechtsbeschwerdeführer sind beschwert, weil das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts zu ihren Lasten geändert hat. Der Mindestbeschwerdewert (§ 45 Abs. 1 WEG) ist überschritten. Das Interesse der Wohnungseigentümer, die berufliche Tätigkeit des Antragstellers in seiner Wohnung zu verhindern, ist offensichtlich höher als 1.500,00 DM zu veranschlagen.
Die Rechtsbeschwerdeführer haben zwar einen fehlerhaften Antrag gestellt, wenn sie beantragen, „die Anträge aus der Antragsschrift vom 30. Juli 1992 zurückzuweisen”. Dieser Antrag, mit dem der Antragsteller ein Verbot gegen die Verwalterin begehrte, ist jedoch schon nicht mehr Gegenstand der Entscheidung...