Leitsatz (amtlich)

Im Falle der Kollision zwischen einem Linksabbieger und einem entgegenkommenden Fahrzeug spricht der Anscheinsbeweis für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers.

Eine Mithaftung des Geradeausfahrers kann sich aus dessen überhöhter Geschwindigkeit ergeben.

Das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) dient nicht dem Schutz des Linksabbiegers.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 17 O 276/06)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Berufungsklägerin erhält gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen nach Zugang Stellung zu nehmen.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten zu 2), die sich nur gegen die Abweisung der Widerklage durch das LG wendet, hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Das LG hat der Widerklage der Beklagten zu 2) zu Recht nicht stattgegeben, da ein Anspruch bereits dem Grunde nach nicht besteht, weil die Beklagte zu 2) bereits nach ihrem eigenen und dem unstreitigem Vorbringen den streitgegenständlichen Verkehrsunfall allein verschuldet hat.

Das LG ist in dem angegriffenen Urteil zu Recht davon ausgegangen, dass gegen die Beklagte zu 2) als Linksabbiegerin der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass sie den Unfall deshalb verschuldet hat, weil sie die ihr gem. § 9 Abs. 3 StVO obliegende Sorgfaltspflicht ggü. dem bevorrechtigten Geradeausverkehr nicht ausreichend beachtet hat.

Dabei ist das LG zutreffend davon ausgegangen, dass gegen die Beklagte zu 2) als Linksabbieger der Beweis des ersten Anscheins spricht und diese bei einer Kollision mit dem geradeausfahrenden Gegenverkehr grundsätzlich allein haftet (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 9 StVO, Rz. 55 mit zahlreichen Nw.).

Dabei spricht der Anschein gegen den Linksabbieger, der mit einem ihm entgegenkommenden Fahrzeug in dessen Fahrbahn kollidiert (vgl. BGH NZV 2005, 249; KG NZV 2003, 182). Der Gegenverkehr darf grundsätzlich auf seinen Vorrang vertrauen; der Linksabbieger muss den gesamten entgegenkommenden Verkehr durchlassen, auch etwa zu weit links eingeordnete Fahrzeuge (vgl. Senat, Urt. v. 27.9.1984 - 12 U 284/84 - VM 1985, 19 Nr. 21; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 9 StVO, Rz. 39).

Selbst wenn der Entgegenkommende wesentlich zu schnell gefahren ist, verliert er nicht sein Vorrecht gegenüber einem Linksabbieger (vgl. BGH NJW 2003, 1929; KG, Urt. v. 4.9.2000 - 12 U 4373/99, DAR 2001, 300 = VM 2001, 19 Nr. 23 = VRS 100, 279 = KGReport Berlin 2001, 42; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 9 StVO, Rz. 39);allerdings kommt in Fällen unfallursächlicher Geschwindigkeitsüberschreitung eine Mithaftung in Betracht (vgl. dazu unter 2. d).

Zu Recht hat das LG darauf hingewiesen, dass das Vorbringen der Beklagten zu 2) ohne jede Angaben zur behaupteten Geschwindigkeit nicht ausreichend ist, eine überhöhte Geschwindigkeit des Klägers anzunehmen und dieses Vorbringen auch einem Beweis nicht zugänglich ist.

2. Die von der Berufung vorgebrachten Angriffe gegen das erstinstanzliche Urteil rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Im Einzelnen:

a. Soweit die Beklagte zu 2) vorbringt, bereits aus den vorgelegten Fotos, den Beiakten (Bußgeldverfahren gegen die Zweitbeklagte 58.92.20036162.3) und ihrem Vorbringen ergäbe sich, dass die Beklagte zu 2) den Abbiegevorgang noch nicht eingeleitet hätte und deshalb die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwendbar seien, kann dem nicht gefolgt werden.

Die Beklagte zu 2) hat vorgebracht, auf der Linksabbiegerspur nach zwei vor ihr abbiegenden Fahrzeugen weiter in die Kreuzung eingefahren zu sein, um ebenfalls nach links abzubiegen. In der Klageerwiderung hatte sie hierzu vorgetragen, dass sie ungefähr eineinhalb Autolängen weiter in die Kreuzung hineingefahren sei, um sodann erneut anzuhalten.

Weiterhin trägt die Beklagte zu 2) vor, dass die - vom Kläger in nördlicher Richtung befahrene - Geradeausspur des Gegenverkehrs der Pilgramer Straße auf Grund der Spurführung der Straße generell und im Hinblick auf eine nach ihrer Behauptung vorhandene Baustelle im Besonderen nach links versetzt gewesen sei und demzufolge direkt auf die Linksabbiegerspur des Verkehrs der Landsberger Straße zugelaufen sei. Deshalb hätte der Kläger, wie die Beklagte zu 2) weiter meint, ihr ausweichen müssen. Diese Annahme geht fehl.

Zunächst ergibt sich aus den eingereichten Bildern sowie der polizeilichen Unfallskizze, dass die von der Beklagten zu 2) in südlicher Richtung b...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge