Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Wertermittlung ist im Presserecht die Wertung des § 45 Absatz 1 Satz 43 GKG entsprechend anzuwenden. Auch bei fehlender wirtschaftlicher Identität kann es geboten sein, trotz mehrerer Streitgegenstände keine Addition, sondern lediglich eine maßvolle Erhöhung des Streitwertes für jeden Streitgegenstand, über den entschieden worden ist, vorzunehmen. Dies ist anzunehmen, wenn durch die Geltendmachung der weiteren Streitgegenstände der Angriffsfaktor nicht wesentlich verstärkt wird.
2. Dies gilt nicht, wenn es um verschiedene Lebenssachverhalte geht. Von einem unterschiedlichen Lebenssachverhalt ist dabei unter anderem dann auszugehen, wenn eine Berichterstattung in unterschiedlichen Zeitschriften Gegenstand der Bewertung ist. Hier kann die Zusammenführung der einzelnen Fälle bei der Bewertung der einen Berichterstattung nicht dazu führen, dass die Bewertung der anderen Berichterstattung niedriger zu bewerten wäre. Daran ändert nichts, wenn die Berichterstattung selbst nahezu identisch ist und die Zeitschriften einen gemeinsamen wirtschaftlich Berechtigten haben.
3. Für eine parallele, der Sache nach identische Berichterstattung auf verschiedenen Plattformen ein und desselben Angreifers, kann etwas anderes gelten.
Normenkette
GKG § 48 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 27 O 127/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2023 in der Fassung des Beschlusses vom 20. Februar 2023 teilweise abgeändert.
Der Gebührenstreitwert für die erste Instanz wird auf bis zu 550.000 EUR festgesetzt.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
A. Das Landgericht Berlin hat der Beklagten durch Urteil vom 26. Januar 2023 in Bezug auf die Kläger umfangreiche Wort- und Bildberichterstattungen in
untersagt. Mit Beschluss vom 26. Januar 2023 hat das Landgericht für den Rechtsstreit in Bezug auf diese Gegenstände auf den Vorschlag der Kläger ohne Begründung einen Gesamtstreitwert von 733.333,00 EUR festgesetzt. Gegen die Festsetzung hat sich die Beklagte mit einer Beschwerde vom 30. Januar 2023 gewandt. Ihrer Ansicht nach sei die Ermittlung des Gesamtwertes zu hoch. Es handele sich um identische Bildnisse und sinngemäße Wortberichterstattungen. Es sei nicht zulässig, Worte oder Sätze aufzuaddieren. Rechnerisch ergebe sich ihres Erachtens allenfalls ein Wert von 160.000 EUR. Für die Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz Bezug genommen. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 13. Februar 2023 hingegen angeregt, die Beschwerde zurückzuweisen. Der "Regelstreitwert" der Kammer und des Senats für Bildveröffentlichungen betrage regelmäßig pro Bildnis 20.000 EUR. Bei großformatigen Aufnahmen, wie sie teilweise Gegenstand des Falles seien, sei sogar noch ein höherer Streitwert festzusetzen. Hinzu kämen die Textberichterstattungen, für die ein "Regelstreitwert" von "um die 15.000 EUR" anzusetzen sei. Im Fall gehe es um sehr umfassende Textberichterstattungen. Insofern dürften pro Berichterstattung pro Kläger für sich genommen zwischen "40.000 EUR und 80.000 EUR" anzusetzen sein. Aufgrund der Vielzahl der Veröffentlichungen und ihres gemeinsamen Kontextes hätten sie selbst aber bereits einen Abschlag vorgenommen. Die Festsetzung orientiere sich im Übrigen an den unangegriffenen Streitwertfestsetzungen in den vorangegangenen Verfügungsverfahren. Für die Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz Bezug genommen.
Das Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 20. Februar 2023 den Streitwertbeschluss vom 26. Januar 2023 teilweise abgeändert und den Gesamtstreitwert auf 640.000 EUR festgesetzt. Für jeden Kläger sei im Fall 1 ein Wert von 80.000 EUR festzusetzen, im Fall 2 ein Wert von 130.000 EUR und im Fall 3 ein Wert von jeweils 110.000 EUR. Für die Einzelheiten wird auf diesen Beschluss Bezug genommen.
Auf den Hinweis des Senats vom 1. März 2023, über die Streitwertbeschwerde nicht zeitnah entscheiden zu können, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 7. März 2023 nochmals ihren Standpunkt dargestellt und stark vertieft. Dort wird angeregt, den Gebührenstreitwert auf allenfalls 180.000 EUR festzusetzen. Für die Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz Bezug genommen.
B. Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 68 Absatz 1 Satz 1, Satz 3, 63 Absatz 3 Satz 2 GKG), der Beklagten ist, soweit ihr nicht bereits abgeholfen wurde, teilweise begründet.
I. 1. In vermögensrechtlichen und in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert bei einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 53 Absatz 1 Nummer 1 GKG und damit nach § 3 ZPO zu bestimmen. Damit kommt es auf das Angreiferinteresse an. In diesem Rahmen ist § 48 Absatz 2 Satz 1 GKG entsprechend anwendbar. Dies gilt aber nur für den Antragsteller (Senat, Beschluss vom 20. April 2023 - 10 W 69/23, GRUR-RS 2023, 7929 Randnummer 7; Toussaint/Elzer, 53. Auflage 2023, GKG § 53 Randnummer 3). Das Angreiferinteresse ist mithin unter anderem unter Berück...