Leitsatz (amtlich)

In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert bei einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht gemäß § 48 Absatz 2 Satz 1 GKG, sondern nach § 53 Absatz 1 Nummer 1 GKG und damit nach § 3 ZPO zu bestimmen.

 

Normenkette

GKG §§ 48, 53; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 27 O 63/23)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 14. Februar 2023 in Gestalt des Beschlusses vom 6. April 2023, mit dem der Gebührenstreitwert für das Verfahren zum Aktenzeichen 27 O 63/23 für die erste Instanz auf 120.000 EUR festgesetzt worden ist, abgeändert.

Der Gebührenstreitwert für die erste Instanz wird auf bis zu 80.000 EUR festgesetzt.

2. Das Verfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

A. Das Landgericht Berlin hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 14. Februar 2023 im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen:

  • eine Äußerung sowie das Lichtbild einer Frau und der Antragstellerin in Bezug auf die Antragstellerin, wie am 9. Februar 2023 auf der Titelseite der ..., Heft 7 2023, geschehen (im Folgenden: Antrag zu 1),
  • eine kurze Äußerung in einem Inhaltsverzeichnis, wie am 9. Februar 2023 im Inhaltsverzeichnis der ..., Heft 7 2023, unter der Überschrift "Titel" geschehen (im Folgenden: Antrag zu 2) sowie
  • eine längere Textpassage sowie das Lichtbild einer Frau in Bezug auf die Antragstellerin mit Bildunterschrift, wie am 9. Februar 2023 auf den Seiten 23/24 der ..., Heft 7 2023 (im Folgenden: Antrag zu 3).

Für den genauen Inhalt der Anträge wird auf die Antragsschrift vom 9. Februar 2023 Bezug genommen. Die Antragstellerin hat dort ohne Angaben hierfür angeregt, einen Verfahrenswert von pauschal 160.000 EUR anzusetzen. Das Landgericht ist dieser Anregung nicht gefolgt und hat in seinem Beschluss vom 14. Februar 2023 ohne Begründung einen Wert von 120.000 EUR festgesetzt. Gegen diese Festsetzung hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 13. März 2023 Beschwerde eingelegt.

Ihrer Ansicht nach handelt es sich um eine wahrheitsgemäße Mitteilung der Beziehung der Antragstellerin zu einer prominenten Schriftstellerin und damit um einen nicht schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre. Beim Antrag zu 3) ergebe sich eine Persönlichkeitsrechtsrelevanz nur aus dem genannten Kontext, sodass die Länge des Verbotstenors keine Rückschlüsse auf die Faktoren für die Streitwertbemessung erlaube. Das weiter verbotene Lichtbild könne den Verfahrenswert nicht weiter erhöhen, da hier kein "KUG-Verstoß" in Bezug auf die Antragstellerin beklagt werde. Der Verfahrenswert sollte vor diesem Hintergrund ihres Erachtens auf maximal 30.000 EUR festgesetzt werden.

Die zu diesem Antrag angehörte Antragstellerin ist der Ansicht, der Verfahrenswert sei mit 120.000 EUR noch sehr niedrig angesetzt worden. Beim Antrag zu 1) handele es sich um eine Titelberichterstattung. Das Bildnis der Antragstellerin mit ihrer vermeintlichen Freundin sei eine Fotomontage, worüber nicht aufgeklärt werde. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sich die Berichterstattung insgesamt auf fünf Seiten erstrecke. Zudem sei die Reichweite der ... zu berücksichtigen, die von 3,37 Millionen Lesern gelesen werde.

Das Landgericht Berlin hat der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen. Gegenstand der einstweiligen Verfügung sei die Berichterstattung über eine von der Antragstellerin bislang der Öffentlichkeit nicht bekannt gegebene angebliche Liebesbeziehung unter Verwendung ihres Bildnisses und das ihrer vermeintlichen Partnerin. Diese Berichterstattung nehme einen Großteil der Titelseite unter Verwendung einer Fotomontage beider Frauen und einer blickfangmäßig herausgestellten Schlagzeile ein. Für die Bildveröffentlichung seien daher 40.000 EUR einzusetzen, für die Wortberichterstattung 20.000 EUR. Für den Antrag zu 2) seien 10.000 EUR anzusetzen. Für den Antrag zu 3) seien 50.000 EUR anzusetzen. Nämlich für vier einzelne Aussagen jeweils 10.000 EUR sowie für das Lichtbild weitere 10.000 EUR.

B. Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 68 Absatz 1 Satz 1, Satz 3, 63 Absatz 3 Satz 2 GKG), ist teilweise begründet.

I. 1. In vermögensrechtlichen und in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert bei einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht, wie vom Landgericht angenommen, gemäß § 48 Absatz 2 Satz 1 GKG, sondern nach § 53 Absatz 1 Nummer 1 GKG und damit nach § 3 ZPO zu bestimmen. Damit kommt es auf das Angreiferinteresse an. In diesem Rahmen ist § 48 Absatz 2 Satz 1 GKG entsprechend anwendbar. Dies gilt aber nur für den Antragsteller (Toussaint/Elzer, 53. Auflage 2023, GKG § 53 Randnummer 3).

Das Angreiferinteresse ist mithin unter anderem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs, beispielsweise der Anzahl der Anträge, der Schwierigkeit von Rechtsfragen oder des Grades der Streitig-...

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