Leitsatz (amtlich)
Die Prüfungskompetenz des OLG im Verfahren der besonderen Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO endet mit dem Beginn der Hauptverhandlung in der anhängigen Strafsache. Das gilt auch dann, wenn das Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde einen in diesem Verfahren ergangenen Haftfortdauerbeschluss eines Strafsenates des OLG aufgehoben und die Sache an denselben Senat zurückverwiesen hat (Anschluss an OLG Düsseldorf NStZ 1992, 402 f. und OLG Dresden NStZ 2004, 644 f.).
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen (535/517) 69 Js 79/04 KLs (63/05)) |
Tenor
Eine Entscheidung des Senats über die Fortdauer der Untersuchungshaft der Angeklagten ist derzeit nicht veranlasst.
Gründe
Der Senat hat am 2. August 2006 gemäß den §§ 121 Abs. 1, 122 Abs. 4 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft unter anderem gegen die Angeklagten U., H., E.-N., I., A. und M. angeordnet. Am 27. September 2006 hat die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Berlin erneut begonnen. Auf die Verfassungsbeschwerden der Angeklagten U., H., A. und M. hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 20. Oktober 2006, der dem Senat am 27. Oktober 2006 bekannt gemacht worden ist, festgestellt, dass der Beschluss des Senats die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 GG verletzt, die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Kammergericht zurückverwiesen. Am 25. Oktober 2006 hat das Landgericht den Angeklagten H. von dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont und das Verfahren gegen ihn sowie eine Mitangeklagte zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt. Der Angeklagte U. hat beantragt, ihn bis zu einer Entscheidung des Senats vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft zu verschonen. Die Angeklagten E.-N. und I. haben beantragt, über die Fortdauer ihrer Untersuchungshaft gemäß § 122 Abs. 6 StPO zu entscheiden. Der Senat, dem die Verfahrensakten am 3. November 2006 vorgelegt worden sind, ist gegenwärtig im Verfahren nach den §§ 121, 122 StPO zu einer Entscheidung nicht berufen.
1.
Infolge der Aufhebung des beanstandeten Beschlusses des Senats und der Zurückverweisung der Sache an das Kammergericht gemäß § 93 c i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG durch das Bundesverfassungsgericht ist das Verfahren der Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO wiederum bei dem Senat anhängig. Zwar hat die Aufhebung einer gerichtlichen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG zur Folge, dass das Ausgangsverfahren in den Zustand vor Ergehen dieser Entscheidung (status quo ante) zurückversetzt wird (vgl. Schmidt-Bleibtreu in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 95 Rdnr. 26; Stark in Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG 2. Aufl., § 95 Rdnr. 72), doch ist das Oberlandesgericht auch in diesem Verfahren der erneuten besonderen Haftprüfung an die in den maßgeblichen einfachgesetzlichen Verfahrensvorschriften im Einzelnen enthaltenen Regelungen gebunden (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1992, 402; OLG Dresden NStZ 2004, 644, 645). Insbesondere im Hinblick auf das Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG) ist auszuschließen, dass das Kammergericht mit dem ihm in den Entscheidungsgründen (BA S. 19) erteilten Auftrag, "erneut eine Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft herbeizuführen", seitens des Bundesverfassungsgerichts veranlasst werden sollte, die Regelungen in den §§ 121, 122 StPO teilweise als unbeachtlich anzusehen, und ihm etwa Entscheidungskompetenzen zugewiesen werden sollten, die ihm nach diesen Vorschriften nicht zustehen.
Für die erneute besondere Haftprüfung ist nicht der Stand des Strafverfahrens, in dem sich dieses vor der aufgehobenen Entscheidung des Senats befunden hat, maßgeblich. Es sind vielmehr die aktuellen Haftverhältnisse und der Fortgang des Strafverfahrens zu berücksichtigen. Das ergibt sich bereits daraus, dass § 121 Abs. 1 StPO den tatsächlichen Vollzug der Untersuchungshaft zum Zeitpunkt der Entscheidung voraussetzt, die besondere Haftprüfung mithin nicht stattfindet, wenn der Haftbefehl vor der Entscheidung aufgehoben oder der Angeklagte von dessen weiterem Vollzug verschont worden ist. Die Prüfung des Oberlandesgerichts kann sich daher allein auf die Frage erstrecken, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft gerechtfertigt i s t , nicht aber darauf, ob in der Vergangenheit erlittene Untersuchungshaft gerechtfertigt w a r (vgl. KG JR 1967, 266, 267; OLG Düsseldorf aaO; OLG Dresden aaO). Die Beachtlichkeit des Fortgangs des Verfahrens folgt weiter daraus, dass in § 121 Abs. 3 Sätze 2 und 3 StPO Regelungen über das Ruhen des Fristenlaufs nach Beginn der Hauptverhandlung und bei rechtzeitiger Vorlage der Akten nach Aussetzung der Hauptverhandlung getroffen worden sind. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits ausdrücklich anerkannt und bei der Zurückverweisung an das zuständige erkennende Gericht gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG berücksichtigt (vgl. StV 1997, 535, 536). Denn es hat in einem mit ...