Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 16.04.2007; Aktenzeichen (342 Cs) 3033 PLs 9683/06 (218/06))

 

Tenor

Die Beschwerde des Zeugen Ka. gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, in dem Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. April 2007 wird mit der Maßgabe verworfen, dass an die Stelle des Ordnungsgeldes für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 100,- EUR ein Tag Ordnungshaft tritt.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat in dem Beschluss vom 16. April 2007 gegen den Zeugen wegen ungebührlichen Verhaltens ein Ordnungsgeld von 300,00 EUR, ersatzweise zwölf Tage Ordnungshaft, festgesetzt. Seine sich gegen diese Festsetzung richtende Beschwerde ist gemäß § 181 Abs. 1 GVG zulässig, hat aber nur teilweise Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:

"Nach den auch vom Betroffenen mit seinem Beschwerdeschreiben nicht bestrittenen Feststellungen des angefochtenen Beschlusses ist er als Zeuge in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten in provozierender Absicht in völlig unangemessener Kleidung erschienen. Seine lange Hose bestand nach der detaillierten Beschreibung des Vorsitzenden, die dieser sowohl in einem Protokollvermerk ausführlich niedergelegt und auch in dem angefochtenen Beschluss nochmals plastisch beschrieben hat, offenkundig aus mehr großflächigen Löchern als Stoff. Auf die Frage nach dem Sinn eines derartigen Aufzugs antwortete der 41 Jahre alte Zeuge, von Beruf Inhaber der Firma "...", u.a.: "er habe keine andere Hose und auch kein Geld zum Kauf einer anderen Hose".

Zum einen ist damit das Amtsgericht der sich aus § 182 GVG ergebenden Protokollierungspflicht hinreichend nachgekommen, zum anderen lagen die Voraussetzungen einer Ungebühr im Sinne des § 178 GVG vor.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das äußere Erscheinungsbild eines Verhandlungsteilnehmers in ungebührlicher Weise die Würde des Gerichts und des Gerichtsverfahrens verletzen kann (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 1 Ws 126/07 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen, zitiert nach [...]). Zwar dürfen heute an das äußere Erscheinungsbild der Prozessbeteiligten im Gerichtssaal keine übersteigerten, an den Anschauungen früherer Zeiten orientierte Anforderungen mehr gestellt werden. Freizeitkleidung, Berufskleidung, kurze Hosen, "bauchfreie" Shirts u.Ä. werden regelmäßig nicht als die Würde des Gerichts verletzend erachtet. Etwas anderes gilt, wenn der Betreffende in einer aus dem Rahmen fallenden Bekleidung oder Erscheinung auftritt, um bewusst zu provozieren. Vorliegend war genau das der Fall, denn bei dem Zeugen handelt es sich nicht etwa um einen Jugendlichen, der dem Erscheinungsbild der Hose entsprechend der Punkerszene angehört und seine übliche Bekleidung schon so verinnerlicht hat, dass ihm eine bewusste Provokation des Gerichts nicht unterstellt werden kann. Hier ist der Betroffene ein 41-jähriger Firmeninhaber, der durch seine Antwort "er habe keine andere Hose" nachdrücklich deutlich gemacht hat, dass er sich bewusst über das Gericht lustig machen wollte. Dies wird dadurch belegt, dass er im Folgenden durchaus im Stande war, seine Hose zu wechseln und er im Übrigen mit seiner Beschwerdebegründung die ihm vorgeworfene schuldhafte Verletzung der Würde des Gerichts letztlich nicht in Abrede stellt, sondern lediglich darauf verweist, dass er schließlich seine Kleidung gewechselt habe.

Soweit ausweislich der Sitzungsniederschrift dem Betroffenen der Ordnungsmittelbeschluss zwar angekündigt worden ist, ihm jedoch vor dessen Erlass entgegen § 33 Abs. 1 StPO kein förmliches rechtliches Gehör gewährt worden ist, ist dies vorliegend unschädlich. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist zwar grundsätzlich erforderlich, erübrigt sich aber ausnahmsweise, wenn wie hier der äußere Anlass und auch der Ungebührwille außer Zweifel stehen und auch eine Anhörung nicht zur Klärung des Falles beitragen kann, und weil zudem der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Ungebühr nicht ausdrücklich in Abrede stellt (vgl. KG, Beschluss vom 6. November 1996 - 4 Ws 179/96 -, zitiert nach [...]).

Unter Berücksichtigung der beruflichen Verhältnisse des Zeugen ist die Höhe des vom Amtsgericht festgesetzten Ordnungsgeldes nicht zu beanstanden. Allerdings kann die Festsetzung der Ersatzordnungshaft keinen Bestand haben. Denn gemäß § 178 Abs. 1 GVG (...) beträgt der Rahmen für die zugleich mit der Festsetzung des Ordnungsgeldes zu bestimmende Ersatzordnungshaft ein bis sieben Tage. Der vom Amtsgericht festgesetzte Umrechnungsschlüssel von einem Tag Ordnungshaft für je 25,- Euro ergäbe jedoch (unzulässige) zwölf Tage Ersatzordnungshaft. Im vorliegenden Fall erscheint die Verhängung von drei Tagen Ersatzordnungshaft angemessen."

Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Ausführungen an und ändert die angefochtene Entscheidung (lediglich) im Ausspruch über die ersatzweise an die Stelle des Ordnungsgeldes tretende Ordnungshaft.

Eine E...

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