Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzungsbefugnis
Leitsatz (amtlich)
1. Die Schätzungsbefugnis nach § 40 Abs. 3 StPO gilt, wenn der Beschuldigte keine, unzureichende oder unzutreffende Angaben über seine finanziellen Verhältnisse macht; eine Schätzung scheidet aus, wenn diese Tatsachen ohne weiteres und ohne unzumutbaren Aufwand zu ermitteln sind.
2. Der Tatrichter hat konkrete Schätzungsgrundlagen festzustellen, die dem Revisionsgericht die gebotene Überprüfung ermöglichen.
Normenkette
StPO § 40 Abs. 3, § 349 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 06.11.2014; Aktenzeichen (565) 222 Js 1507/13 Ns (154/14)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. November 2014 im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der festgesetzten Tagessatzhöhe der Geldstrafe und der Gesamtgeldstrafe aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 27. Juni 2014 wegen Datenveränderung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin mit der Maßgabe verworfen, dass er unter Einbeziehung der Einzelgeldstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. August 2013 und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt wird. Die zulässige Revision des Angeklagten, mit der dieser die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat nur den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
1. Gegen den Schuldspruch, die zugrunde liegende Beweiswürdigung, die Strafzumessungserwägungen, die Anzahl der für die Tat verhängten Tagessätze und die Tagessatzanzahl im Rahmen der zutreffend erfolgten nachträglichen Gesamtstrafenbildung ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Der Senat verwirft die Revision insoweit gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet.
2. Die aufgrund einer Schätzung der Einkommensverhältnisse vorgenommene Bemessung der Tagessatzhöhe mit 30 Euro hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Schätzungsbefugnis nach § 40 Abs. 3 StPO gilt, wenn der Beschuldigte keine, unzureichende oder unzutreffende Angaben über seine finanziellen Verhältnisse macht; eine Schätzung scheidet aus, wenn diese Tatsachen ohne weiteres und ohne unzumutbaren Aufwand zu ermitteln sind (vgl. BayObLG DAR 1978, 206; 1986, 243; OLG Düsseldorf VRS 89, 32; Fischer, StGB 62. Aufl., § 40 Rdn. 19 m.w.N.). Danach ist bereits fraglich, ob die Voraussetzungen für eine Schätzung im vorliegenden Fall gegeben waren; denn in dem angefochtenen Urteil wird hierzu lediglich - ohne nähere Begründung - ausgeführt, die Kammer habe Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen nicht treffen können. Jedenfalls aber fehlt es an der Mitteilung konkreter Schätzungsgrundlagen, die dem Revisionsgericht die gebotene Überprüfung ermöglichen würden (dazu vgl. BGHSt 27, 230; BGH NJW 1993, 408; NJW 1976, 635; OLG Düsseldorf aaO.; Fischer, aaO., § 40 Rdn. 20 m.w.N.). Der bloße Verweis auf die Festsetzung einer gleichen Tagessatzhöhe in einem etwa zweieinhalb Monate zuvor ergangenen Urteil eines anderen Gerichts reicht insoweit nicht aus. Abgesehen davon, dass sich auch in einem solch überschaubaren Zeitraum die Einkommensverhältnisse nachhaltig verändert haben können, lässt sich dem angefochtenen Urteil auch nicht entnehmen, auf welche Weise die Einkommensverhältnisse in dem in Bezug genommenen Urteil festgestellt worden sind.
Es ist auch nicht hinreichend zweifelsfrei auszuschließen, dass die Bemessung der Tagessatzhöhe bei ordnungsgemäßer Begründung niedriger ausgefallen wäre. Der Senat hebt das Urteil daher insoweit gemäß § 349 Abs. 4 StPO auf und verweist die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.
Fundstellen