Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 27.02.2012; Aktenzeichen (295 OWi) 3023 Js 9681/11 Ve (754/11)) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Februar 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Mit Bußgeldbescheid vom 31. Mai 2011 hat der Polizeipräsident in Berlin gegen den Betroffenen wegen eines Rotlichtverstoßes nach §§ 17 OWiG, 37 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG, in Tateinheit (§ 19 OWiG) mit einer Ordnungswidrigkeit nach § 21a Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG ein Bußgeld in Höhe von 260,- Euro verhängt und nach § 25 StVG mit der Maßgabe des § 25 Abs. 2 a StVG ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
Auf den rechtzeitig eingelegten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Tiergarten nach dreimaliger Terminsverlegung Termin zur Hauptverhandlung für den 27. Februar 2012 anberaumt, wobei der Betroffene nicht vom persönlichen Erscheinen entbunden wurde. Mit Schreiben vom 27. Februar 2012, bei Gericht per Fax eingegangen am 27. Februar 2012 um 10.57 Uhr, beantragte der Verteidiger des Betroffenen, den für 13.00 Uhr anberaumten Termin zu verlegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der sachbearbeitende Rechtsanwalt sei plötzlich bettlägerig erkrankt. Der Betroffene sei bereits informiert worden.
Nachdem zum Hauptverhandlungstermin um 13.00 Uhr weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen waren, verwarf das Amtsgericht Tiergarten den Einspruch des Betroffenen mit der Begründung, dass der Betroffene ohne genügende Entschuldigung und ohne von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden gewesen zu sein, im Termin ausgeblieben sei. In den Urteilsgründen wird ausgeführt, dass das Fax des Verteidigers vom 27. Februar 2012 dem Gericht zwar vorgelegen haben, dass dies aber das Fernbleiben des Betroffenen nicht entschuldige, der sich selbst bei Gericht hätte vergewissern können, ob der Termin tatsächlich verlegt werde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtbeschwerde des Betroffenen, die mit der Verletzung formellen Rechts begründet wird.
Der in zulässiger Form erhobenen Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG kann der (vorläufige) Erfolg nicht versagt bleiben.
Das Amtsgericht hat zu Unrecht den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen und damit auch dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs.1 GG) verletzt.
Das Nichterscheinen des Betroffenen im Termin vom 27. Februar 2012 war nämlich nicht unentschuldigt, denn der Betroffene war vom Büro seines Verteidigers über den gestellten Antrag auf Terminsverlegung informiert worden und ihm war die Mitteilung erteilt worden, dass er angerufen werde, falls der Termin doch noch stattfinden sollte. Aufgrund der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin des Verteidigers steht fest, dass diese nach Übersendung des Antrages auf Terminsaufhebung bei Gericht angerufen hatte, wo ihr eine Mitarbeiterin mitgeteilt hat, dass sich jemand im Verteidigerbüro melden würde, wenn der Termin stattfinden würde. Ein Rückruf erfolgte jedoch nicht mehr, sodass die Mitarbeiterin des Verteidigers den Betroffenen entsprechend informierte und ihm mitteilte, dass er nicht zum Termin erscheinen müsse.
Das Ausbleiben des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin war hier im Sinne des § 74 Abs. 2 StPO als entschuldigt anzusehen, da es auf der Information seines Verteidigers beruht (vgl. Senat, Beschluss vom 15. August 2007 - 3 Ws (B) 440/07; BayObLG VRS 104, 302, 304; OLG Hamm JMBl. NW 1978, 32, 33). Ein Vertrauen auf einen derartigen Hinweis des Verteidigers ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn sich dem Betroffenen nach der konkreten Sachlage Zweifel aufdrängen müssen, ob die Äußerung seines Verfahrensbevollmächtigten zutreffend ist (Senat, BayObLG und OLG Hamm, aaO.).
Für derartige Zweifel bestand jedoch keine Veranlassung, zumal der Hauptverhandlungstermin ja bereits drei Mal vom Gericht verlegt worden war. Außerdem hatte das Gericht durch das Fax des Verteidigers noch rechtzeitig vor dem Termin Kenntnis von dem Antrag auf Terminsverlegung erhalten, was dem Betroffenen ja auch so mitgeteilt worden ist. Hat der Betroffene einen Verteidiger und hat dieser rechtzeitig vor dem Termin einen begründeten Verlegungsantrag wegen seiner Verhinderung gestellt, so hat das Gericht über einen solchen Antrag nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden (Senat, NZV 03, 433; OLG Karlsruhe, NZV 06, 217), wobei bei einem bestreitenden Betroffenen einem solchen Antrag sogar in der Regel zu entsprechen ist (OLG Karlsruhe, aaO.). Die Verhinderung des Verteidigers kann somit durchaus auch geeignet sein, auch den Betroffenen zu entschuldigen. Das Amtsgericht Tiergarten hätte daher den Einspruch gegen Bußgeldbescheid nicht gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verwerfen dürfen.
Da das Urteil auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht, war es aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechts...