Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 04.02.2005; Aktenzeichen (518) 70 Js 899/95 KLs (48/04)) |
Tenor
1.
Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 4. Februar 2005 aufgehoben.
2.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Rechtsanwältin xxx ist in dem vorliegenden Strafverfahren seit dem 15. Januar 2004 als Vertreterin der Geschädigten xxxxx tätig gewesen. Nach Erhebung der Anklage am 12. Juli 2004 hat das Landgericht Berlin mit Beschluss vom 14. Juli 2004 die Geschädigte gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StPO als Nebenklägerin zugelassen und ihr gemäß § 397 a Abs. 1 StPO Rechtsanwältin xxxxxx als Beistand bestellt. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin nach zweitägiger Hauptverhandlung am 29. September 2004 unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten verurteilt. Rechtsanwältin xxxx hat beantragt, die Vergütung für ihre Tätigkeit als Beistand der Nebenklägerin nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) wie folgt festzusetzen:
Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG) |
132,00 EUR |
Verfahrensgebühr vorbereitendes Verfahren (Nr. 4104 VV RVG) |
112,00 EUR |
Verfahrensgebühr gerichtliches Verfahren, erster Rechtszug (Nr. 4112 VV RVG) |
124,00 EUR |
Terminsgebühren zwei Hauptverhandlungstage (Nr. 4114 VV RVG) |
532,00 EUR |
Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikations- dienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG) |
20,00 EUR |
Pauschale für 125 Ablichtungen (Nr. 7000 VV RVG) |
36,25 EUR |
|
856,25 EUR |
16 v.H. Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) |
137,00 EUR |
|
993,25 EUR. |
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat durch Beschluss vom 12. November 2004 den Antrag auf Festsetzung einer Vergütung nach dem RVG mit der Begründung zurückgewiesen, es sei das (alte) Gebührenrecht der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) anzuwenden. Mit Beschluss vom selben Tage hat er gemäß dem von der Rechtsanwältin hilfsweise gestellten Antrag die Gebühren und Auslagen wie folgt festgesetzt:
Vorverfahrensgebühr (§§ 84 Abs. 1, 102 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1 BRAGO) |
120,00 EUR |
Gebühren für die Hauptverhandlung (§§ 83 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1, 102 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1 BRAGO) [lediglich in dieser Höhe beantragt] |
435,00 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale (§ 26 BRAGO) |
15,00 EUR |
Dokumentenpauschale für 125 Ablichtungen (§ 27 BRAGO) |
36,25 EUR |
|
606,25 EUR |
16 v.H. Umsatzsteuer (§ 25 Abs. 2 BRAGO) |
97,00 EUR |
|
703,25 EUR. |
Auf die Erinnerung der Rechtsanwältin hat die 18. Strafkammer des Landgerichts mit Beschluss vom 4. Februar 2005 (RVGreport 2005, 188) den Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle aufgehoben und die Sache an diesen in entsprechender Anwendung der §§ 573 Abs. 1, 572 Abs. 3 ZPO zurückverwiesen zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer, wonach die Gebühren auf der Grundlage des RVG zu berechnen seien. Die dagegen gerichtete, gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Sätze 1 und 3 RVG zulässige Beschwerde der Bezirksrevisorin hat Erfolg.
1.
Die der Rechtsanwältin aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung ist nach dem Gebührenrecht der BRAGO zu bemessen.
a)
§ 61 Abs. 1 Satz 1 RVG sieht für die Entscheidung, ob altes oder neues Gebührenrecht anzuwenden ist, zwei Anknüpfungspunkte (vgl. Burhoff, RVGreport 2005, 142) vor: den Zeitpunkt der unbedingten Übernahme des Wahlmandats und den Zeitpunkt der Bestellung oder Beiordnung.
aa)
Für den Sachverhalt, dass ein vor dem 1. Juli 2004 als Wahlverteidiger tätig gewesener Rechtsanwalt danach zum Pflichtverteidiger bestellt worden ist, hat sich das Kammergericht unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur angeschlossen, wonach es für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts allein auf den Zeitpunkt der Bestellung ankommt (vgl. Beschlüsse vom 17. Januar 2005 -(1) 2 StE 10/03-2 (4/03)-, 4. Februar 2005 -3 Ws 30/05-, 11. Februar 2005 -5 Ws 656/04- und 7. März 2005 -4 Ws 145/04-). Ausschlaggebend hierfür war der in den Materialien zum Gesetzentwurf (BT-Drucks. 15/1971, S. 203) geäußerte Wille des Gesetzgebers, dass sich die Pflichtverteidigervergütung nach dem neuen Recht bemessen soll. Die Gesetzesbegründung weist ausdrücklich darauf hin, dass bei Niederlegung des Wahlmandats und anschließender Bestellung zum Pflichtverteidiger "kein Zusammentreffen mehrerer Tatbestände im Sinne des Satzes 1 [der §§ 60 bzw. 61 RVG] vorliegt". Es fällt bei dieser Fallgestaltung der Anknüpfungspunkt der Übernahme des Wahlmandats weg, so dass es nur noch auch den Zeitpunkt der Bestellung ankommen kann.
Der Antrag eines Wahlverteidigers, ihn zum Pflichtverteidiger zu bestellen, enthält die Erklärung, die Wahlverteidigung solle mit der Bestellung enden (vgl. BGH StV 1981, 12; OLG Köln NStZ 1991, 248, 249; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 142 Rdn. 7 m.w.Nachw.). ...