Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 01.05.2002; Aktenzeichen 155 F 15241/95)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 1.5.2002 – 155 F 15241/95 – wird auf ihre Kosten bei einem Wert von 300 Euro zurückgewiesen.

 

Gründe

Mit Verbundurteil vom 22.11.2000, auf das Bezug genommen wird, hat das FamG die Ehe der Parteien geschieden und zugleich über die Folgesachen Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt entschieden. Unter dem 30.11. bzw. 1.12.2000 ist den Parteienvertretern eine Ausfertigung dieses Urteils zugestellt worden, in der unter Ziff. III.1 des Urteilstenors statt der in der Urschrift des Urteils bestimmten, vom Antragsgegner zu leistenden Unterhaltsrente von 641,74 DM irrtümlich eine Unterhaltsrente von 777,95 DM angegeben war. Den Beteiligten zu 1) und 2) ist am 30.11. bzw. 6.12.2000 jeweils nur eine den Versorgungsausgleich betreffende auszugsweise Urteilsausfertigung zugestellt worden.

Nach Hinweis der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners auf die Fehlerhaftigkeit der ihnen zugestellten Urteilsausfertigung hat das FamG die erneute Zustellung der nunmehr mit der Urschrift des Urteils übereinstimmenden Ausfertigungen an die Parteien veranlasst, die unter dem 8.3.2000 an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin und unter dem 12.3.2000 an die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners erfolgte. Mit beim hiesigen Gericht am 11.4.2001 eingegangenem Schriftsatz vom 10.4.2001 hat der Antragsgegner Berufung gegen das Urteil vom 22.11.2000 eingelegt, sein Rechtsmittel jedoch in der mündlichen Verhandlung am 6.7.2001 zurückgenommen.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des FamG hat daraufhin in Abänderung eines ursprünglich auf den 9.1.2001 datierten Rechtskraftzeugnisses den Eintritt der Rechtskraft bezüglich der Entscheidung über den Versorgungsausgleich auf den 9.7.2001 datiert. Das FamG hat der hiergegen erhobenen Erinnerung der Beteiligten zu 1) mit Beschluss vom 1.5.2002 nur insoweit abgeholfen, als es den Eintritt der Rechtskraft für die Entscheidung über den Versorgungsausgleich mit Wirkung zum 6.7.2001 feststellt.

Gegen den Beschluss vom 1.5.2002, der der Beteiligten zu 1) am 7.5.2002 zugestellt wurde, richtet sich die am 17.5.2002 beim hiesigen Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1), der das FamG nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde ist gem. §§ 573 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig. Sie erfolgte insb. nach § 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht. Die Beteiligte zu 1) ist auch beschwerdeberechtigt, da der Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bestimmenden Einfluss auf ihre Pflichten ggü. der ausgleichsberechtigten Antragstellerin und ihre Rechte ggü. dem Träger der Versorgungslast hat. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.

Gemäß § 705 ZPO ist ein Urteil rechtskräftig, wenn auf die Einlegung eines Rechtsmittels wirksam verzichtet wurde, oder ein solches nicht statthaft bzw. die Rechtsmittelfrist verstrichen ist, ohne dass ein Rechtsmittel eingelegt wurde. Bei Verbundurteilen nach § 629 ZPO gilt dabei die Besonderheit, dass vor Rechtskraft des Scheidungsausspruchs auch die Entscheidungen über Folgesachen nicht wirksam werden können (§ 629d ZPO).

Die Ende November bzw. Anfang Dezember 2000 erfolgte Zustellung der Ausfertigungen des Urteils vom 22.11.2000 konnte die Rechtsmittelfristen der §§ 516 a.F., 629a, 621e ZPO nicht in Gang setzten, denn die den Parteien erteilten Ausfertigungen gaben im Ausspruch über die Zahlung nachehelichen Unterhalts den Wortlaut der Urschrift nicht zutreffend wieder. Es lag also keine Unrichtigkeit des Urteils i.S.d. § 319 ZPO vor, deren Berichtigung grundsätzlich keinen Einfluss auf den Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen hat (BGH NJW 1999, 647). Vielmehr erfolgte die Zustellung des Urteils fehlerhaft. Der Beginn der Rechtsmittelfristen setzt aber voraus, dass die nach § 317 Abs. 1 ZPO zugestellte Ausfertigung jedenfalls keine wesentlichen Abweichungen von der Urschrift aufweist (RGZ 170, 186 [189 f.]). Wesentlich ist eine Abweichung immer dann, wenn der Mangel einer Ausfertigung geeignet ist, die Entschließung der Parteien über die Einlegung eines Rechtsmittels zu beeinflussen (BGH v. 30.9.1981 – IVb ZB 805/81, VersR 1982, 70). Hiervon ist bei einer fehlerhaften Bezeichnung der nach dem Urteil zu leistenden Unterhaltshöhe auszugehen. Da sich der Entscheidungverbund nach § 623 ZPO in der Rechtsmittelinstanz fortsetzt, sofern nicht von der Möglichkeit der Teilanfechtung nach § 629a Abs. 2 ZPO Gebrauch gemacht wird, wirkt sich die fehlerhafte Zustellung des Urteils nicht nur auf die Folgesache Unterhalt, sondern auf alle im Verbundurteil enthaltenen Entscheidungen aus, da anderenfalls für einen Beteiligten unterschiedliche Rechtsmittelfristen in Gang gesetzt würden.

Vorliegend begannen die Rechtsmittelfristen für die Parteien erst mit der am 8. bzw. 12.3.2002 erfolgten Zustellung ordnungsge...

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