Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei einer unerlaubten E-Mail-Werbung; Störerhaftung für einen auf Provisionsbasis handelnden Absatzmittler
Leitsatz (amtlich)
1. Der Streitwert bei einer unerlaubten E-Mail-Werbung kann regelmäßig bei einem Wettbewerbsverhältnis der Parteien mit 30.000 Euro, bei einer geschäftlichen oder beruflichen Betroffenheit mit bis zu 10.000 Euro und im rein privaten Bereich mit bis zu 7.500 Euro (insbesondere je nach Erkennbarkeit als Werbung, Hartnäckigkeit und Ausmaß der Betroffenheit) bemessen werden.
2. Bei einer unerlaubten E-Mail-Werbung im privaten Bereich kommt eine Störerhaftung des Unternehmers für aufgrund von Provisionsabsprachen tätig werdende Absatzmittler in Betracht. Dies gilt erst recht, wenn der Unternehmer ein provisionsberechtigtes Vertriebsunternehmen mit einer E-Mail-Werbung beauftragt hat.
Normenkette
ZPO § 3; GKG § 51 Abs. 2-3; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 23.07.2013; Aktenzeichen 15 O 341/13) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Zivilkammer 15 des LG Berlin vom 23.7.2013 - 15 0 341/13 - teilweise geändert:
a) Der Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle von Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, diese zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin, untersagt, der Antragstellerin E-Mails zum Zwecke der Absatzförderung ohne Aufforderung oder vorheriges Einverständnis zu senden oder senden zu lassen, wenn dies wie am 15.6.2013 an die geschäftlich genutzten E-Mail-Adressen...de, ...de, ...-...de und ...de geschieht.
b) Der weiter gehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die weiter gehende sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens beider Instanzen haben die Antragstellerin 1/6 und die Antragsgegnerin 5/6 zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000 EUR festgesetzt. Dieser Wert wird - in Änderung des angefochtenen landgerichtlichen Beschlusses - auch für das Verfahren der ersten Instanz festgesetzt. Der Zuständigkeitsstreitwert nach § 3 ZPO beträgt - ebenfalls in Änderung des angefochtenen landgerichtlichen Beschlusses - 9.000 EUR.
Gründe
A. Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist auch teilweise (im Umfang der konkreten Verletzungsform) begründet, §§ 935, 940 ZPO.
I. Der Verfügungsantrag ist zulässig, insbesondere beträgt der Zuständigkeitsstreitwert vorliegend mehr als 5.000 EUR, § 3 ZPO, § 71 Abs. 1, § 23 Nr. 1 GVG.
1. Gemäß § 3 ZPO ist der Streitwert nach freiem Ermessen im Wege der Schätzung zu bestimmen. Maßgeblich für die Schätzung ist regelmäßig das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Erfolg seiner Klage. Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses bildet die Angabe des Streitwertes in der Klageschrift, weil diese noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits erfolgt (vgl. Senat, JurBüro 2003, 142).
a) Zwar entsteht bei einem nur einmaligen Herunterladen einer Werbe-E-Mail nur ein geringer finanzieller Schaden und zeitlicher Nachteil. Die Versendung von Werbung mittels E-Mail ist aber besonders kostengünstig, so dass von einem sehr großen Nachahmungseffekt auszugehen ist. Darüber hinaus muss sich der Empfänger beim Löschen der E-Mail regelmäßig auch näher mit dem Inhalt der E-Mail befassen, was den Werbewert (und damit die Nachahmungsgefahr) nochmals erhöht.
b) Vorstehendes gilt im Ausgangspunkt nicht nur, wenn die Parteien in einem Wettbewerbsverhältnis stehen (und deshalb die E-Mail-Werbung insgesamt unterbunden werden soll; insoweit kann ein Hauptsachewert von 30.000 EUR in Betracht kommen, vergleiche Senat, Beschluss vom 26.4.2012, 5 W 29/12, Umdruck Seite 1f), sondern auch wenn nur privatrechtliche Unterlassungsansprüche (bezüglich der Zusendung der E-Mail-Werbung gerade an den Kläger) ernsthaft in Betracht kommen. Maßgeblich bleiben dann ebenso die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, inwieweit der Kläger etwa in seiner beruflichen Betätigung gestört wird (und welche wirtschaftliche Bedeutung der E-Mail-Verkehr für ihn hat), ob es sich um breit gestreute Spam-Werbung oder nur um eine konkrete, individuelle Anfrage handelt, inwieweit die E-Mail-Werbung als solche leicht und unzweideutig erkannt werden kann (insbesondere aus der "Betreff-Zeile") und ob erkennbar ein weiteres Nachfassen des Werbenden (bei einer Untätigkeit des Klägers) droht.
Deshalb kann schon für ein Verfügungsverfahren ein Wert von 7.500,- Euro angemessen sein, wenn die Kommunikation mittels E-Mail für den Antragsteller erkennbar von besonderer geschäftlicher oder beruflicher Bedeutung (also nicht nur rein privat) ist (Senat, a.a.O., Seite 143; Senat, Bes...