Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei Widerruf eines Verbraucherdarlehens - unechte Hilfsanträge
Leitsatz (amtlich)
Begehrt die klagende Partei in der Hauptsache allein die Feststellung, dass der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden sei, und sodann hilfsweise für den Fall, dass das Gericht diesen Antrag für begründet halte, weitergehend u. a. Feststellung des Annahmeverzuges, Freigabe der Grundpfandrechte, Feststellung der maximalen Höhe des Anspruchs der Bank sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, handelt es sich bei den Hilfsanträgen um sog. unechte Hilfsanträge.
Unechte Hilfsanträge in einer solchen Form sind nach § 39 Abs. 1 GKG streitwertrelevant, und dies auch dann, wenn die Klage zurückgenommen wird und daher eine Entscheidung über die Hilfsanträge nicht ergeht. Die Ausnahmeregelung in § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ist nicht einschlägig. Weder handelt es sich um eine zulässige Variante der grundsätzlich anerkannten Kostenreduzierung im Wege der Teilklage, noch bieten Sinn und Zweck der kostenrechtlichen Vorschriften Veranlassung, diese Art der Antragstellung kostenmäßig zu privilegieren. Anders als bei einer Teilklage folgt aus der Art der Antragstellung, dass in jedem Fall über das ganze Streitverhältnis erschöpfend entschieden werden sollte.
Normenkette
GKG §§ 39-40, 45 Abs. 1 S. 2; ZPO § 260
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 4 O 323/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Festsetzung des Streitwerts in dem Beschluss der Zivilkammer 4 des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 2017 - Geschäftsnummer 4 O 323/16 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Kläger haben die beklagte Bank nach Widerruf eines grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherkreditvertrages vom April 2010 vor dem Landgericht Berlin in Anspruch genommen. Mit der Klageschrift haben sie angekündigt, im Antrag zu 1) die Feststellung zu beantragen, dass der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden sei. Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Antrag zu 1) für begründet halte, werde zu 2) beantragt, festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der von den Klägern aus dem Rückgewährschuldverhältnis geschuldeten Zahlungen im Annahmeverzug befinde; sowie zu 3), die Beklagte zu verurteilen, die Grundpfandrechte an die Kläger oder einen von diesem benannten Dritten abzutreten, Zug um Zug gegen Zahlung von 75.675,93 EUR, hilfsweise 75.893,11 EUR; sowie zu 4) festzustellen, dass der Beklagten gegen die Kläger aus dem Darlehensvertrag bzw. dem diesbezüglichen Rückgewährschuldverhältnis am 30. September 2016 nur ein Anspruch in Höhe von 75.675,93 EUR, hilfsweise 75.893,11 EUR zugestanden habe; sowie zu 5) festzustellen, dass alle durch die Kläger nach dem 30. September 2016 noch geleisteten Zahlungen auf den Saldo gemäß der Anträge zu 3) und zu 4) anzurechnen seien; sowie zu 6), festzustellen, dass die Beklagte den Klägern alle weiteren Schäden zu ersetzen habe, die aus der Verweigerung der Abgabe der Löschungsbewilligung resultierten; sowie zu 7), die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.716,04 EUR zu verurteilen.
Das Landgericht hat den Streitwert vorläufig auf bis zu 140.000 EUR festgesetzt und hierbei den Wert des Antrags zu 1) sowie aus dem Antrag zu 3) den Nominalbetrag der Grundschulden und aus dem Antrag zu 6) einen Pauschalbetrag von 5.000 EUR berücksichtigt. Letztere Anträge seien im Wert zu berücksichtigen, weil die Hilfsanträge nicht in einem Eventualverhältnis zum Klageantrag zu 1) stünden, sondern dessen Erfolg teilten. Die Beklagte hat angekündigt, Klageabweisung zu beantragen. Noch vor Bestimmung eines Termins haben die Kläger die Klage zurückgenommen. Mit Beschluss vom 13. Juni 2017 hat das Landgericht den Streitwert endgültig auf insgesamt bis zu 140.000 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, die geltend machen, nach Ansicht des Rechtsschutzversicherers könne der unechte Hilfsantrag streitwertmäßig nur bewertet werden, wenn über ihn auch entschieden worden sei. Dies sei wegen der Klagerücknahme nicht der Fall. Der Streitwert sei daher auf 39.493,28 EUR festzusetzen. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, §§ 68 Abs.1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG. Sie hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gemäß § 39 Abs. 1 GKG sind mehrere Klagebegehren wertmäßig zu addieren, soweit nichts anderes bestimmt ist. Zu Recht hat sich das Landgericht hieran orientiert und die Beträge addiert, wobei sich die Beschwerde auch nicht gegen die Bewertung der einzelnen Begehren richtet. Ohne Erfolg beziehen sich die Kläger auf eine Beschwerdeentscheidung des OLG München, die einen Hilfsantrag zum Gegenstand hatte, über den in einem Urteil entschieden worden war (vgl. OLG München, Beschluss vom 12. November 2008 - 1 W 2319/08, BeckRS 2008, 23849). N...