Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG auf unechte Hilfsanträge
Leitsatz (amtlich)
§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ist auch auf sogen. unechte Hilfsanträge anwendbar (Anschluss an BGH, Beschluss vom 08.04.2014 - XI ZR 335-/12 -; Urteil vom 13.05.1996 - II ZR 275/94 -). Weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG nur auf echte Hilfsanträge Anwendung finden sollte. Die Art der Verknüpfung von Haupt- und unechtem Hilfsantrag ist mit der Geltendmachung einer Teilforderung zur Klärung der Rechts-lage vergleichbar, die auch darauf gerichtet ist, Prozesskosten einzusparen. Sie stellt keine unzulässige Privilegierung des Klägers dar. Die Berücksichtigung eines unechten Hilfsantrags, über den nicht entschieden worden ist, bei der Streitwertbemessung negiert die Eventualantragstellung und missachtet die Dispositionsmaxime.
Normenkette
GKG § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 2, § 66 Abs. 6 S. 1, § 68 Abs. 1, 5; RVG § 32 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Beschluss vom 11.04.2019; Aktenzeichen 5 O 749/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 11.04.2019 in Gestalt des Teilabhilfebeschlusses des Landgerichts Braunschweig vom 19.09.2019 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers wenden sich aus eigenem Recht gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts Braunschweig für einen Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Widerrufs eines zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossenen Darlehensvertrages.
Der Kläger hat erstinstanzlich angekündigt, zu beantragen,
1. festzustellen, dass aufgrund des wirksam erfolgten Widerrufs vom 30.07.2018 die Beklagte aus dem Darlehensvertrag vom 04.10.2016 mit der Darlehensnummer .... über ursprünglich 39.234,- EUR zum Stichtag 01.09.2018 keinen Anspruch auf Zahlung der Zins- und Tilgungsleistungen (mehr) herleiten kann.
Für den Fall das der Klageantrag zu 1. zulässig und begründet sein sollte, hat der Kläger angekündigt, zu beantragen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 13.283,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 01.09.2018 binnen sieben Tagen nach Übergabe des Fahrzeugs ..., Fahrgestellnummer .... zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 2. in Annahmeverzug befindet;
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 3.243,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen;
5. die Beklagte zu verurteilen, die zur Sicherung des widerrufenen Darlehensvertrags aus Antrag zu 1. abgetretenen Lohn- und Gehaltsansprüche rückabzutreten sieben Tage nach Rückgabe des Fahrzeugs gemäß Antrag zu 2.
Die Beklagte hat erstinstanzlich angekündigt, zu beantragen,
die Klage abzuweisen;
für den Fall, dass das Gericht von einem wirksamen Widerruf ausgehen würde, im Wege der Hilfswiderklage
festzustellen, dass die Klagepartei im Falle eines wirksamen Widerrufs verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des PKW ...mit der Fahrzeug- Identifizierungsnummer ... zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig war.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 08.04.2019 seine Klage zurückgenommen.
Das Landgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 11.04.2019 (Bl. 73 ff. d. A.) den Streitwert auf eine Wertstufe bis 40.000,- EUR festgesetzt.
Der Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.04.2019 zugestellt worden.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben am 20.05.2019 im eigenen Namen Streitwertbeschwerde beim Landgericht gegen den Beschluss vom 11.04.2019 eingelegt. Zur Begründung haben sie vortragen, dass nach ihrer Auffassung auch unechte Hilfsanträge gem. § 39 Abs. 1 GKG streitwerterhöhend zu berücksichtigen seien. Die Ausnahmeregelung in § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG sei nicht einschlägig, weil in jedem Fall erschöpfend über das gesamte Streitwertverhältnis zu entscheiden sei. Es werde insofern auf die Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 09.11.2017 (Az.: 4 W 35/17) und des Landgerichts Hannover vom 27.02.2018 (Az.: 20 O 4/18) verwiesen. Mithin verbleibe es gemäß den Ausführungen in der Klage bei einem Streitwert von 98.271,92 EUR.
Das Landgericht Braunschweig hat der Streitwertbeschwerde mit Beschluss vom 19.09.2019 (Bl. 85 ff. d. A.) teilweise abgeholfen und den Streitwert unter Abänderung des Streitwertbeschlusses vom 11.04.2019 auf die Wertstufe bis 50.000,- EUR festgesetzt. Im Übrigen hat es der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Braunschweig zur Entscheidung vorg...