Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 20.11.2019 abgeändert und der Streitwert für die I. Instanz auf 24.500,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die ausdrücklich im eigenen Namen der Beklagten eingelegte, auf Herabsetzung des mit dem angefochtenen Beschluss auf 56.495,74 EUR gerichtete, sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 GKG zulässig. Es fehlt insbesondere nicht an der gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 GKG erforderlichen Beschwer der Beklagten. Zwar hat die Klägerin die Klage zurückgenommen mit der Folge, dass sie gemäß § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Die Beklagte ist jedoch schon deshalb durch eine zu hohe Streitwertfestsetzung beschwert, weil sie - unabhängig von einem Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin - gegenüber ihrem eigenen Prozessbevollmächtigten aus dem Anwaltsvertrag vergütungspflichtig ist und sich die danach geschuldeten Gebühren nach dem für die Gerichtsgebühren gerichtlich festgesetzten Streitwert richten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.01.2016 - 10 W 53/15 - Rn. 5; juris).

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

1. Der Hauptantrag der Klägerin war auf die negative Feststellung gerichtet, dass die Beklagte aus einem mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrag nach dessen Widerruf keinen Anspruch auf Zins- und Tilgungsleistungen (mehr) herleiten kann. Diesem Antrag liegt das Interesse der Klägerin zugrunde, so gestellt zu werden, als hätte sie das Gesamtgeschäft nicht geschlossen, d.h. weder den Darlehensvertrag noch den damit verbundenen Kaufvertrag, die gemäß § 358 BGB einheitlich im Verhältnis zum Darlehensgeber rückabzuwickeln sind. Der Streitwert bemisst sich deshalb - dies hat das Landgericht zutreffend gesehen und wird auch von den Parteien nicht beanstandet - in erster Linie nach der Höhe des Nettodarlehensbetrages (vgl. BGH, Beschluss vom 07.04.2015 - XI ZR 121/14 - Rn. 3, juris; BGH, Beschluss vom 10.03.2015 - XI ZR 121/14, juris). Hinzu kommt ggf. eine an den Vertragspartner des Kaufvertrages geleistete Anzahlung (vgl. BGH, Beschluss vom 29.05.2015 - XI ZR 335/13 - Rn. 3, juris; Senat, Beschluss vom 18.02.2020 - 4 U 163/19 - m.w.N.). Da die Klägerin im vorliegenden Fall keine Anzahlung geleistet hat, beträgt der Streitwert für den Hauptantrag mithin 24.500,- EUR.

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts erhöht sich dieser Streitwert allerdings nicht um den Wert der "für den Fall, dass der Klageantrag zu 1) zulässig und begründet ist" gestellten unechten Hilfsanträge und damit insbesondere nicht um den Wert des mit dem Antrag zu 5. geltend gemachten Anspruchs auf Rückabtretung der zur Sicherung abgetretenen Lohn- und Gehaltsansprüche. Die Hilfsanträge bleiben gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht, weil über sie keine Entscheidung ergangen ist. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG ist auch auf unechte Hilfsanträge, die unter die Bedingung des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt werden, anwendbar (BGH, Beschluss vom 08.04.2014 - XI ZR 335/12; BAG, Beschluss vom 13.08.20114 - 2 AZR 871/12, Rn. 3, juris; OLG Köln, Beschluss vom 10.03.2017 - 12 W 10/17, Rn. 4). Hierfür spricht bereits der Wortlaut. Denn § 45 Abs. 1 S. 2 GKG unterscheidet nicht nach echten und unechten Hilfsanträgen.

Für eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Vorschrift, wie sie das Kammergericht (Beschluss vom 09.11.2017 - 4 W 35/17) vorgenommen hat, sind die Voraussetzungen nicht gegeben. Eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (BGH, Urteil vom 21.12.2011 - VIII ZR 70/08, Rn. 31, juris; Urteil vom 26.11. 2008 - VIII ZR 200/05, Rn. 22, juris). Von einer planwidrigen Regelungslücke kann hier nicht ausgegangen werden, da sich der Gesetzgeber wiederholt - zuletzt anlässlich des Kostenmodernisierungsgesetzes - mit der Vorschrift befasst hat (Drs. BT 15/1971, S. 155, vgl. BT-Drs. 7/2016, S. 72 zur Vorgängervorschrift, § 16 Abs. 4 GKG a. F.), aber von einer Differenzierung zwischen echten und unechten Hilfsanträgen abgesehen hat, obgleich die Frage besonders in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung schon lange umstritten war (vgl. nur die Nachweise bei Ziemann, juris PR - ArbR, 1/2016 Anm. 5).

Es besteht auch kein Bedürfnis für eine Begrenzung der Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 S. 2 GKG auf echte Hilfsanträge. Unechte Hilfsanträge sind vergleichbar mit unechten Hilfswiderklagen und Teilklagen. Sowohl für Teilklagen als auch für unechte Hilfswiderklagen ist aber anerkannt, dass es sich dabei um rechtlich unbedenkliche Möglichkeiten handelt, die Kosten der gerichtlichen Überprüfung eines Anspruchs gering zu halten. Sie sind nicht unzulässig, weil die Prozesspartei, die ihre Anträge auf diese Weise verknüpft, im Umfange des Hilfsantrags vom Prozess- und Kostenrisiko befreit wird (BGH, Urteil vom 13.05.1996 - II ZR 275/94, Rn. 25, juris; OLG Braun...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?