Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 22.02.2012)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden der Strafkammer XY des Landgerichts Berlin vom 22. Februar 2012 wird verworfen.

2. Die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss der XY. Strafkammer des Landgerichts Berlin vom 6. März 2012 wird verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten verhängte gegen die Beschwerdeführerin mit Strafbefehl vom 22. Dezember 2010 wegen Geldwäsche eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 20 Euro und ordnete die Einziehung von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 10.000 Euro an. Der Angeklagten wurde zur Last gelegt, am 13. Januar 2010 durch Barabhebung von 9.500 Euro von ihrem Konto über einen Betrag verfügt zu haben, den ihr gesondert verfolgter Ehemann ihr unter unbefugter Inanspruchnahme eines Dispositionskredites zu Lasten eines von ihm unter falschen Personalien eröffneten Kontos überwiesen hatte.

Die Angeklagte legte gegen den Strafbefehl rechtzeitig Einspruch ein und beantragte zugleich die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Nachdem das Amtsgericht die Bestellung eines Pflichtverteidigers abgelehnt und das Landgericht die hiergegen gerichtete Beschwerde der Angeklagten verworfen hatte, beraumte das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung an. Die Angeklagte, die weiterhin die Beiordnung eines Verteidigers begehrte, blieb diesem Termin fern und war auch nicht durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten. Daraufhin verwarf das Amtsgericht den Einspruch gegen den Strafbefehl gemäß § 412 StPO mit Urteil vom 14. September 2011, gegen das die Angeklagte (neben einem inzwischen rechtskräftig abgelehnten Wiedereinsetzungsantrag) Berufung einlegte.

1. Den Antrag der Angeklagten auf Bestellung des Rechtsanwaltes Dr. A zu ihrem Verteidiger für das Berufungsverfahren lehnte die geschäftsplanmäßig zuständige Vorsitzende der nunmehr zuständigen Berufungskammer XY mit Beschluss vom 22. Februar 2012 ab. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Angeklagten.

2. Ferner lehnte die Angeklagte die Richterin, die den Beschluss erlassen hatte, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Ablehnung wurde durch Beschluss der XY. Strafkammer vom 29. Februar 2012 in der Besetzung mit der geschäftsplanmäßigen Vertreterin der Vorsitzenden als unbegründet zurückgewiesen. Daraufhin lehnte die Angeklagte diese Richterin am 1. März 2012 wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dieses Ablehnungsgesuch verwarf die abgelehnte Richterin mit Beschluss vom 6. März 2012 gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Angeklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 10. März 2012.

II. 1. Die Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss vom 22. Februar 2012 ist nach § 304 Abs. 1 StPO zulässig. Sie ist insbesondere nicht durch die Vorschrift des § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen, die auch für Entscheidungen des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts gilt (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 2 Ws 522/08 -; Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 305 Rn. 3 mit weit. Nachweisen). Denn der angegriffene Beschluss steht in keinem inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung, sondern dient unabhängig davon der Sicherung des justizförmigen Verfahrens und hat daher eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung (vgl. KG StV 2010, 63; Senat, Beschluss vom 13. Dezember 2006 - 5 Ws 612/06 - mit weit. Nachweisen; std. Rspr.).

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Strafkammervorsitzende hat die beantragte Pflichtverteidigerbestellung zu Recht abgelehnt, da die Voraussetzungen des - hier allein in Betracht kommenden - § 140 Abs. 2 StPO nicht gegeben sind.

a) Weder die Schwere der Tat noch die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage gebietet die Mitwirkung eines Verteidigers.

aa) Ob eine Pflichtverteidigerbestellung wegen der Schwere der Tat erforderlich ist, richtet sich in erster Linie nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung (vgl. Meyer-Goßner, § 140 StPO Rdnr. 23 mit weit. Nachweisen). Eine Tat ist insbesondere dann regelmäßig als schwer anzusehen, wenn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr (vgl. KG VRS 95, 113; Beschlüsse vom 28. September 2010 - 3 Ws 488/10 - und 17. November 2009 - 3 Ws 619/09 -; std. Rspr.; Meyer-Goßner aaO. mit weit. Nachseisen) oder eine gravierende Maßregel der Besserung und Sicherung droht (vgl. Laufhütte in Karlsruher Kommentar, StPO 6. Aufl., § 140 Rdn. 21). Neben der im hiesigen Verfahren zu erwartenden strafrechtlichen Sanktion sind auch die weiteren -mittelbaren - Auswirkungen eines Schuldspruchs auf den Angeklagten zu berücksichtigen (vgl. OLG Brandenburg NJW 2005, 521; KG, Beschlüsse vom 17. November 2009 - 3 Ws 619/09 -, 29. Juni 2009 - (3) 1 Ss 129/09 (77/09) und 9. Juli 2008 - (3) 1 Ss 83/08 (80/08) -; Laufhütte aaO.; Meyer-Goßner, § 140 StPO Rdn. 25). Das Ergebnis der Gesamtschau der strafrechtlichen Sanktion und der weiteren Auswirku...

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