Leitsatz (amtlich)
Für die Auslegung des Begriffs der "Abgabe" im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 2 VVG kommt es darauf an, wann der Versicherungsnehmer den Zugang des Antrages beim Versicherer nicht mehr beeinflussen kann; diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Versicherungsvertreter seinen eigenen Antrag seiner Sekretärin zwecks Weiterleitung im ELAN-Verfahren an den Versicherer übergeben hat.
Normenkette
VVG § 2 Abs. 2 S. 2
Tenor
In dem Rechtsstreit
...
hat der Senat nunmehr über die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 43 des Landgerichts Berlin vom 20. Dezember 2016 beraten und beabsichtigt im Ergebnis, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I. Der Kläger ist selbstständiger Versicherungsvertreter und für die Beklagte auf Grund eines Agenturvertrages tätig.
Er begehrt von der Beklagten Leistungen aus einem am 12. Januar 2015 mit der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag, der auch eine Teilkaskoversicherung enthält, wegen eines streitigen Sturmschadens an dem versicherten Fahrzeug, der bereits vor Vertragsabschluss am 9. Januar 2015 eingetreten ist. Der Versicherungsvertrag gewährt als Rückwärtsversicherung Versicherungsschutz bereits ab dem 29. Dezember 2014 (K 13 = Bl. 59 d. A.).
Der Kläger hatte nach seinem Vortrag ein Antragsformular am 8. Januar 2015 ausgefüllt, unterzeichnet und seiner Angestellten, der Zeugin ..., zur Weiterleitung an die Beklagte übergeben. Die Übermittlung erfolgte durch sie am 12. Januar 2015.
Zu den Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen, mit der das Landgericht die Klage unter Anwendung des § 2 Abs. 2 S. 2 VVG wegen Leistungsfreiheit der Beklagten abgewiesen hat.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er zusammengefasst geltend macht, er könne als Agent der Beklagten nicht schlechter stehen als ein beliebiger dritter Antragsteller, bei dem die Abgabe der Vertragserklärung in der Agentur ausreiche. Deswegen komme es auf den 8. Januar 2015 an, zu dem er noch keine Kenntnis vom erst am 9. Januar 2015 eingetretenen Versicherungsfall haben konnte.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Berlin zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.297,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zu den Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage verwiesen.
II. Die Berufung ist zwar zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beide Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor.
1) Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag verneint, weil die Beklagte wegen § 2 Abs. 2 S. 2 VVG leistungsfrei ist.
a) Beide Parteien gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass ein Versicherungsvertrag zustande gekommen ist, der auch Teilkaskoversicherungsschutz umfasst. Dieser Versicherungsvertrag beinhaltete eine Rückwärtsversicherung für den Zeitraum vom 29. Dezember 2014 bis zur Antragsannahme durch die Beklagte am 12. Januar 2015 (vgl. K 13 = Bl. 59 d. A.).
b) Der vom Kläger behauptete Versicherungsfall wäre am 9. Januar 2015 und damit innerhalb der Zeit der Rückwärtsversicherung eingetreten - allerdings vor der Annahmeerklärung der Beklagten.
c) Der Kläger hatte unstreitig am 9. Januar 2015 Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls erlangt.
d) Gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 VVG ist die Beklagte leistungsfrei, wenn der Kläger bei der Abgabe seiner Vertragserklärung Kenntnis davon hatte, dass der Versicherungsfall schon eingetreten ist. Diese Kenntnis hatte der Kläger bei der Abgabe seiner Vertragserklärung. Diese Abgabe ist erst am 12. Januar 2015 mit der Weiterleitung des Antrages an die Beklagte erfolgt.
Was unter der Abgabe der Vertragserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung des Sinn und des Zwecks der Vorschrift zu ermitteln. Die Vorschrift bezweckt, den Versicherungsnehmer bei Vereinbarung einer Rückwärtsversicherung an einer bewussten Manipulation des versicherten Risikos zu hindern. Er soll nicht in die Lage versetzt werden, rückwirkenden Versicherungsschutz für einen Versicherungsfall zu erlangen, von dem er weiß, dass er bereits eingetreten ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.14 - IV ZR 8/13 - zitiert nach juris: Rdnr. 15). Die aktuelle Fassung des § 2 Abs. 2 S. 2 VVG setzt die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in eine gesetzliche Vorschrift um. Danach war unter der Geltung der alten Fassung des § 2 VVG ein Vertrag über eine Rückwärtsversicherung dahin auszulegen, dass die Parteien die Leistungsfreiheit ...